Ein Artikel von Helga Mühlberger
Wenn ich erzähle, dass ich seit fast 10 Jahren die Tanzschule besuche, werde ich immer mal wieder nach meinem Lieblingstanz gefragt. Und immer muss ich die Antwort schuldig bleiben.
Mein Lieblingstanz ist immer der, den ich gerade tanze.
Als Wienerin – nicht hier geboren aber in die Stadt verliebt – sollte der Wiener Walzer mein Favorit sein. Zum Donauwalzer wird in das Neue Jahr getanzt, der Opernball wird mit den Worten „Alles Walzer“ eröffnet und dann schweben die Paare über das Parkett. Auf Bällen und Turnieren ist meist klassische Musik zu hören, oft von Johann Strauss und Johann Strauss Sohn. Doch wer nun glaubt, die moderne Rock- und Popmusik lasse sich diesen schwungvollen Rhythmus entgehen, der irrt.
Zweifellos ist der Wiener Walzer der schwungvollste aller Standardtänze. Was den charakteristischen Rhythmus betrifft, wird der Wiener Walzer im 3/4-Takt gespielt. Mit rund 60 Schlägen pro Minute gehört der Wiener Walzer zu den schnellsten Gesellschaftstänzen der Welt. Beim Tanzen muss man Körperkontakt halten und sich im Uhrzeigersinn durch den Raum bewegen, auch bekannt als Natural Turn. Mit der Linkswalzer-Variante bewegen man sich gegen den Uhrzeigersinn (Rückwärtsdrehung).
Dabei kommt es
den Tänzern gar nicht so sehr darauf an, viele Figuren zu zeigen
oder eine besonders ausgefeilte Choreographie aufs Parkett zu legen.
Wichtig sind beim Wiener Walzer vor allem eine exakte Fußtechnik.
Gekennzeichnet
ist der Wiener Walzer durch schnelle, gleichmäßige, raumgreifende
Schritte und ständige Drehbewegungen.Wichtig ist das äußerst
präzise Schließen der Füße, denn es vollendet und kontrolliert
die schnellen Drehungen.
Genau das lässt das
tanzende Paar durch den Saal „schweben“ und gibt Tänzern wie
Zuschauern dieses märchenhafte Gefühl!
Der Walzer gehört zu den europäischen Tänzen und wird den “Standardtänzen” zugeordnet. Der Name kommt vom deutschen Wort “waltzen”, was soviel wie “sich drehen” bedeutete. Der Rhythmus hat sich über Jahrhunderte entwickelt. Bereits 1754 wird in einer Wiener Stegreifkomödie eine Tanzszene als “Walzer” bezeichnet. Zudem gilt der Wiener Walzer heute weltweit als wesentliches Element österreichischer Identität. Während des Wiener Kongresses um 1815 erfasste die Begeisterung für den neuen Paartanz alle gesellschaftlichen Schichten. Der Walzer wurde salonfähig.
Vor dem Walzer tanzten die Menschen umeinander mit wenig oder keinem Kontakt. Als der Tanz immer mehr und mehr an Beliebtheit gewann wurde er moralisch kritisiert. Manche empfanden ihn als vulgär und sündhaft. Der Linkswalzer war wegen Unzüchtigkeit durch die enge Berührung der Paare verpönt. Dieser Tanz wurde zum Synonym für Revolution – auch auf sexueller Ebene, denn kaum zuvor ist man sich beim Tanzen so nahe gekommen.
Anfang des 20. Jh. fiel der Walzer allerdings in einen Dornröschenschlaf, da er von neuartigen Tanzweisen verdrängt worden ist. Er musste Tänzen wie Foxtrot, Swing, Jive oder Charleston weichen. 1938 wurde der Wiener Walzer jedoch ins internationale Tanzturnierprogramm aufgenommen und wurde zum Standardtanz. Die Engländer konnten sich jedoch nicht für den Wiener Walzer begeistern. Sie bevorzugten eher den langsamen Walzerschritt. Daraus ging der so genannte „English Waltz“ (Langsamer Walzer) hervor.
Der Wiener Walzer ist durch seine Eleganz einfach immer zeitgemäß, hat sich trotz Höhen und Tiefen in der Geschichte immer durchgesetzt und wird jedes Jahr von einer neuen Generation neu entdeckt und geliebt.