Ein Artikel von Helga Mühlberger
Eindringlicher Rhythmus, stolze Körperhaltung, effektive Posen: Der Paso Doble ist der spanische Exot unter den lateinamerikanischen Tänzen.
Über die Ursprünge dieses Tanzes ist leider wenig bekannt. Anfang des 15. Jahrhunderts wanderte die Gitanos genannte Volksgruppe nach Andalusien ein und prägten seitdem die iberische Kultur bedeutend mit. Es wird vermutet, dass Gitanos ab Mitte des 16. Jahrhunderts den temperamentvollen Paso Doble in allen Regionen Spaniens zu Feierlichkeiten getanzt haben.
Wörtlich übersetzt heißt Paso Doble „Doppelschritt“. Es ist ein Paartanz mit einem einfachen Schrittmaterial auf Marschmusik. In stilisierter Form verbreitete sich dieser auch in Lateinamerika anzutreffende Volkstanz nach 1910 in anderen europäischen Ländern. Die Musik ist mit Elementen des Fandango und des Flamenco angereichert. Der Tanz wurde in Paris in den zwanziger Jahren choreografiert. Dass er ein Tanz ist, der meistens komplett choreographiert ist und man ihn schwer einfach so frei tanzen kann, ist der Grund, wieso der Paso Doble heute eher wenig populär ist. Er ist zwar seit 1945 Turniertanz und wird in Tanzschulen gelehrt, ist jedoch in der Öffentlichkeit eher dürftig vertreten. Auf den Tanzflächen der Gesellschaft taucht dieser Tanz nur selten auf. Er ist ein künstlicher Tanz, der im Gegensatz zum Flamenco nicht aus dem Volk kommt.
Die Musik erinnert stark an die Musik, die den Matador beim Eintritt in die Arena begleitet. Blas- und Streichinstrumente ahmen die Dramatik, Bewegung und den Klang der corrida nach und erzeugen so Dramatik. Die Melodie ist energisch und klar strukturiert. Der choreographische Charakter zeigt sich in jedem Musikstück, allen voran natürlich im 1932 erstmals uraufgeführten españa cañí. Es besteht in der Regel aus jeweils 3 Teilen, einer Einleitung und zwei Hauptteilen. Im ersten Teil, betritt der Matador die Arena und präsentiert sich dem Publikum, dabei schreitet er stolz umher, weshalb in diesem Teil die Marschmusik dominiert. Im zweiten Teil überwiegt dann der Flamenco Anteil, der spanische Stolz zeigt sich und das Spiel mit dem Stier beginnt. Im letzten Drittel jubelt das Publikum schließlich dem Torero zu, die Musik feiert ihn wie bei einem Fest, bevor er schlussendlich den Stier erlegt.
Der Paso Doble ist die tänzerische Darstellung des Stierkampfes. Der Herr repräsentiert dabei den Torero, die Dame meistens die capa, manchmal aber auch eine Flamencotänzerin oder den Schatten des Toreros. Mit seinem hochmütigen, kühnen Stolz drückt der Tänzer wie ein Torero seine Überlegenheit aus. Die Dame dagegen nimmt einen selbstbewussten Abstand zu ihm ein, ohne sich der Macht des „Herren“ zu ergeben. Sie ist die bildhafte Entsprechung der capa, also das rote Tuch, mit dem der Torero den Stier unter Kontrolle hält und ist wie diese geschmeidig, wendig und elegant. Körperkontakt zur Dame gibt es wenig, es wäre für den Stierkämpfer ja auch sehr gefährlich die capa dauernd am Körper zu haben.
Ein ganz
besonderes Markenzeichen des Paso Doble ist der vielen Figuren
vorausgehende Appell, ein vorbereitender Schritt, der dazu dient,
eine Bewegung einzuleiten. Markant sind die besondere Haltung sowie
einfache, jedoch nicht gleichmäßige Schritte. Der progressive Paso
Doble stellt hohe Anforderungen an die Tänzer hinsichtlich der
Technik, Dynamik und Interpretation.Diese Besonderheiten machen den
Paso Doble zu einem nicht ganz einfachen und auf freien
Tanzveranstaltungen nicht oft anwendbaren Tanz. Doch gerade diese
Sonderstellung und seine einzigartige Atmosphäre machen ihn auch
besonders spannend und reizvoll.
Die Art des Spiels zwischen Mann und Frau ist so in keinem anderen Tanz zu finden. Jeder Paso Doble erzählt eine andere, unvergleichbare Geschichte der Corrida, die auch in dieser Form das Publikum mitreißt. Vielleicht mit einem einzigen Unterschied zum wirklichen Leben – im Paso Doble triumphiert der Matador über den Stier immer.