Ein Artikel von Helga Mühlberger
Langsamer Walzer
Schon seit Jahrzehnten gibt das Standardtanzen Paaren die Gelegenheit, sich in der körpernahen Tanzhaltung auf gesellschaftlich anerkannte Weise anzunähern, und gemeinsam Freude an Musik und Bewegung zu entwickeln und auszudrücken. Aufgrund ihrer Eleganz, musikalischen Vielseitigkeit und ihrem verbindenden Charakter sind die Standardtänze Gesellschaftstänze im eigentlichen Sinn und haben deshalb auch ihren festen Platz im gesellschaftlichen Leben, beispielsweise auf Hochzeiten oder Bällen.
Der Langsame Walzer ist dabei einer der klassischen Standardtänze und gehört sogar zu den ältesten Gesellschaftstänzen überhaupt. Der Langsame Walzer ist ein Kind der Englischen Schule. Der Wiener Walzer hatte in England nur eine kleine Schar von Anhängern. Er wurde bis 1914 ausschließlich in der englischen High Societey getanzt. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges mussten jedoch die überwiegend österreichischen Walzer-Kapellen die Koffer packen – und die nahmen „ihren“ Wiener Walzer gewissermaßen gleich mit. Das hatte fatale Folgen für den Wiener Walzer, er verschwand damit de facto von der Bildfläche.
In
der Zwischenzeit etablierte sich sein jüngerer Verwandter, der
Langsame Walzer, der angeblich aus dem Tanz „Boston“ entstanden
ist. Das ist jedoch nicht ganz richtig. Vielmehr könnte man sagen,
dass beide Tänze den selben Ursprung haben. Es dauert noch einige
Jahre, bis sich die neue Walzervariante durchsetzte. Vom
ursprünglichen Charakter des Walzers blieb bald so gut wie nichts
mehr übrig. Im Jahr 1929 wurde auf einer Konferenz der Langsamen
Walzer endgültig standardisiert, Der Walzer in seiner klassischen
Ausprägung wurde in der Konferenz übrigens komplett ignoriert. Erst
mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs unterschied man zwischen dem
schnellen und dem langsamen Walzer, zwischen dem Wiener Walzer, der
aus seinem langen Dornröschen-Schlaf wieder wach geküsst wurde, und
dem Langsamen Walzer.
Der Langsame Walzer wird genau wie der Wiener Walzer auf Musik im3/4-Takt getanzt. Zufall? Nein, da der Langsame Walzer um das Jahr 1920 aus dem Wiener Walzer heraus entstanden ist. Deshalb teilen sich die Tänze auch ihren schwungvollen Charakter mit ständigen Drehbewegungen. Doch es gibt einen großen Unterschied zum Wiener Walzer… Das Tempo. Während Wiener-Walzer-Lieder zwischen 135 und 180 BPM (Beats pro Minute) haben, kommt der Langsame Walzer mit ruhigen 85 bis 95 BPM ? Die Tänzer nutzen das langsamere Tempo, um den Walzer um weitere Figuren zu bereichern, die damit das Tanzen interessanter machen.
Langsamer
Walzer gilt als einer der technisch schwierigsten und
anspruchsvollsten Standardtänze. Er zeigt sich in weiten,
fließend-gleitenden Bewegungen. Die Paare schwingen dabei immer von
einem Höhepunkt zum nächsten. Die musikalische Betonung liegt auf
dem ersten der drei Taktschläge. Beim zweiten Schritt und Taktschlag
erzielt man den größten Teil der Drehung und die stärkste
raumgreifende Bewegung. Auf dem dritten Schritt kontrolliert man
schließlich die Drehung durch das Schließen der Füße.Die
Bewegungen des Tanzes sind außerdem von extremen Höhen und Tiefen
geprägt. Das charakteristische kontinuierliche Heben durch Knie und
Fußgelenke und das kontrollierte Senken, lässt das Tanzpaar wie
schwerelos über die Tanzfläche schweben. Wichtig dabei ist, dass
man beim Senken nicht einfach von oben „herunterfällt“ und beim
Heben nicht die Schultern mit hochzieht.
Der Langsame Walzer wird oft als harmonischster aller Standardtänze bezeichnet. Grund dafür sind seine ruhigen, fließenden Bewegungen. Die dazugehörige melodiöse und anschmiegsame Musik harmoniert mit dem Tanz, schafft die notwendige Stimmung und erweckt beim Tanzenden das angenehme “Walz-Gefühl. Einige Figuren sind sehr gut für Tanzanfänger geeignet. Dazu zählen das Damensolo und der Außenseitliche Wechsel oder auch die Promenade. Andere Walzer-Figuren, wie der Wischer, das Chassé und der Impetus, benötigen viel Übungszeit und sind daher eher was für fortgeschrittene Tänzer.
Sein
sanfter, anmutiger Charakter macht den Langsamen Walzer zum perfekten
Hochzeitstanz. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Hochzeitspaare
bei ihrem Eröffnungstanz für den Langsamen Walzer entscheiden.
Der Langsame Walzer ist ein Tanz des Herzens. Er kommt aus der Seele, weil er so sentimental ist und sehr romantisch. Diese Eigenschaften sind immer zu spüren, obwohl er von den nüchternen Engländern geformt wurde. Das Paar will mit dem Langsamen Walzer den Raum nicht erobern, es will im Raum der Unendlichkeit versinken.