Lys Assia ist am Samstag verstorben

Die Schweizer Sängerin wurde 94 Jahre alt.

Mit “Oh, mein Papa” landete Lys Assia einen Welthit. Dieses ist die Geschichte zur ihrem Lied.

Lys Assia ist gestern in Zürich gestorben. Sie war eine von zwei ESC-Siegern für die Schweiz. Anders als Celine Dion, die ihre Karriere mit dem Sieg beim Grand Prix erst in Schwung brachte, war die Schweizer Sängerin bei ihrem Sieg mit „Refrain“ bereits ein Weltstar. Übrigens war sie 1956 die erste Grand Prix Siegerin überhaupt.

Kurz nach dem 2. Weltkriegs war sie über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt. Sie war in Frankreich ein Star und wurde regelmäßig zu Tourneen in die USA eingeladen. Die Amerikaner waren ganz vernarrt in das süße Mädchen aus den Alpen. Sie war wohl eine Art Friedensengel in einer Zeit, als alles aus Europa nur mit Krieg in Verbindung gebracht wurde. Während einer Tour durch die Vereinigten Staaten erfuhr sie, dass es ihrem Vater gesundheitlich nicht gut gehen würde und mit dem Schlimmsten gerechnet werden müsse.

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https://www.youtube.com/watch?v=tUO4uwnKruk

Deshalb brach sie die Tournee sofort ab und flog zurück in die Heimat. Als der Schweizer Rundfunk davon erfuhr, dass sie endlich einmal wieder Zuhause sein werde, lud man sie in das Sonntägliche Rundfunkkonzert ein. Natürlich sagte die Sängerin begeistert zu, denn das Radio war zu dieser Zeit das wichtigste Medium und das Sonntagskonzert ertönte aus allen Radios des Landes. Um ihrem Publikum Zuhause auch etwas Neues zu bieten, besuchte sie ihren Förderer, den Komponisten Paul Burkhard. Der freute sich riesig über den Besuch seiner Entdeckung, denn bei ihm begann die Karriere mit dem ersten Gesangsunterricht.

„Du kennst dich hier besser aus als ich“, antwortete der väterliche Freund als sie um einen neun Schlager für das Radiokonzert bat, „dort in den Stapeln könnte etwas für dich dabei sein.“ Die folgenden Minuten sollten ihr Leben verändern.

Im Spätsommer 2007 hatte ich mich mit Lys Assia zu einem Interview verabredet. Wir trafen uns am Vormittag bei einem Bekannten von ihr in dessen Wohnung in Hamburg. Die Dame, die mich höflich begrüßte, sah nicht aus wie man sich eine ältere 82-jährige Dame vorstellt. Dame, ja das war sie von Kopfl bis Fuß. Sie sah einfach unglaublich elegant aus, genau wie ich mir eine Dame immer vorgestellt habe: Jedes Kleidungsstück war aufeinander abgestimmt, die Haaren waren frisch gerichtet, ihr Gesicht perfekt geschminkt. Sie war zurecht gemacht als würden wir uns nicht für ein Text-, sondern zu einem TV-Interview treffen.

Schnell bemerkte sie, dass ich über ihr Auftreten angenehm überrascht war und erklärte mir: „Das, was wir beide hier machen, ist die Ausübung unserer Berufe. Ich merke, dass Sie sich gut auf das Gespräch vorbereitet haben und das habe ich auch. Sie haben einen Anspruch darauf, sich mit einer gepflegten Künstlerin zu unterhalten.“

Als es nun um den Augenblick bei Paul Burkhard ging leuchteten ihre Augen, sie begann jeden Satz, den sie nun sprach mit passenden Gesten zu unterstützen. Es war für ihre Karriere, ein bedeutend wichtigerer Augenblick als der Sieg beim ersten „Grand Prix de la Chanson“: „Ich ging also gezielt zu der kleinen Kommode, in der Paul Burkhard seine Kompositionen stets ablegte. Es war nicht ordentlich, aber es herrschte eine Ordnung, in der ich mich auskannte. Immer in der dritten Schublade hatte er seine Stücke abgelegt, an denen er noch feilen wollte, die aber für ihn grundsätzlich in Ordnung waren.

Also öffnete ich diese und nahm den kleinen Stapel heraus, legte das erste Blatt zur Seite und las „Oh mein Papa“… Die Vorstellung, ein Lied mit diesem Titel am Sonntag singen zu können, würde meinem Vater besser helfen als jede Medizin, das wusste ich genau. Ohne mir die Noten und damit die Melodie anzusehen, jubelte ich: Das ist mein Lied, das möchte ich aufnehmen, das ist Schicksal!“

Ihre erste Euphorie gab ihr recht. Sie hatte ein wunderschönes Lied in der Kommode entdeckt. Es wurde ihr Hit und auch der größte Erfolg für ihren Entdecker. Überall auf der Welt musste sie diesen Titel singen. Spätestens als Königin Elisabeth von England sie zu sich in den Buckingham Palast einlud und sie bat, ihr Lieblingslied zu singen, wurde sie sich der Kraft dieses Liedes bewusst.

Ich bin mir sicher, ihr Papa hat gestern bereits an der Himmeltür auf seine einmalige Tochter gewartet.

Diese schöne Geschichte hatte ich mir für einen besonderen Tag als Song des Tages aufgehoben. Ich hatte mir vorgenommen, nach der Interview-Aufnahme zu suchen. Dazu ist es nun nicht mehr gekommen. Das ich die Geschichte zu ihem Song zu so einem traurigen Anlass schreiben würde, hatte ich nie in Erwägung gezogen. In den Medien lebte die elegante Dame nach wie vor. Es war mir eine große Freud, sie kennengelernt zu haben.

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