Johnny Cash Soldat in Deutschland, 03.07.1954

Liebe Leserin, lieber Leser,

fĂŒr die „German FrĂ€uleins“ soll sich der Airman Johnny Cash, der von 1951 bis 1954 in Landsberg am Lech stationiert war, gar nicht interessiert haben. Beinahe tĂ€glich schrieb er einen langen Brief an seine Verlobte Vivian Liberto, die in Texas drei lange Jahre auf ihn wartete. Nichts fĂŒrchtete er mehr, als den legendĂ€ren „Dear John Letter“ zu bekommen, mit dem Amerikanerinnen Beziehungen zu den in Europa stationierten Soldaten beendeten. In einen Baum auf dem Fliegerhorst in Penzing ritzte er „Johnny loves Vivian“. Heiße Liebes- und TreueschwĂŒre, ein veritabler schriftlicher Heiratsantrag und die Drohung, er wĂŒrde sich von der Zugspitze stĂŒrzen, sollte sie ihn jemals verlassen, finden sich in seinen Briefen – aber auch der zĂ€rtliche Kosename „Snookie Pootsie“, den der brave Soldat fĂŒr seine Angebetete in der Ferne „erfunden“ hatte.

Johnny Cash (ganz links mit Geige) beim Musizieren in einem bayerischen Gasthaus – hier noch ohne eigene Gitarre. (Foto: Robert Mehaffey)
Johnny Cash (ganz links mit Geige) beim Musizieren in einem bayerischen Gasthaus – hier noch ohne eigene Gitarre. (Foto: Robert Mehaffey)

Johnny Cash hörte in Landsberg den sowjetischen Funkverkehr ab, er schenkte den Kindern auf der Straße Kaugummi und er sang in bayerischen Wirtschaften. Im Sommer segelte er auf dem Ammersee, im Herbst machte er einen Ausflug aufs Oktoberfest und im Winter lernte er in Garmisch Skifahren. Auf der Suche nach dem perfekten Verlobungsring durchstreifte er die Landsberger GeschĂ€fte, schließlich fuhr er nach MĂŒnchen und ließ ihn bei einem MĂŒnchner Juwelier nach einer Zeichnung anfertigen. Aber auch in Landsberg fand er etwas Kostbares: „Ich kaufte mir meine erste Gitarre fĂŒr zwanzig Mark, damals etwa fĂŒnf Dollar, und trug sie durch den kalten deutschen Winter zum StĂŒtzpunkt zurĂŒck.“ Diesen Fußmarsch im Winter 1952 werde er niemals vergessen, schrieb er in seiner Autobiografie: „Sechseinhalb Kilometer durch knietiefen Schnee.“

Der gar nicht brave Johnny Cash am Schwimmbad im Fliegerhorst Penzing. (Foto: William Harrell)
Der gar nicht brave Johnny Cash am Schwimmbad im Fliegerhorst Penzing. (Foto: William Harrell)

Auch den Weg von der Landsberger Innenstadt zur Kaserne legte der junge Soldat Johnny Cash des Öfteren zu Fuß zurĂŒck – dann aber stolpernd und im betrunkenen Zustand. Ganz so brav, wie man meinen möchte, war er also wĂ€hrend seiner Zeit in Deutschland nicht. In einem Landsberger Gasthaus geriet er eines Abends „nach mehreren Liedern“ – oder mĂŒsste es „Litern“ heißen? – in eine SchlĂ€gerei, bei der er seinem GegenĂŒber die VorderzĂ€hne ausschlug. Nach seinen Alkoholexzessen gelobte Cash stets Besserung – aber die Verlockungen waren zu groß. In MĂŒnchen wurde er einmal von der MilitĂ€rpolizei verhaftet, nachdem er auf ein StraßenmĂ€dchen eingeschlagen hatte, das ihn „belĂ€stigte“. Viel Deutsch soll Johnny Cash in Deutschland nicht gelernt haben, aber irgendjemand muss ihm ja wohl das Wort „Schnuckiputzi“ beigebracht haben. 1994 antwortete er rĂŒckblickend in einem Interview auf die Frage nach den „German FrĂ€uleins“ lĂ€chelnd: „I met a few, yeah.“

Das Buch „Don’t Take Your Guns To Town“, das zeitgleich zur Ausstellung im Neuen Stadtmuseum Landsberg erscheint,  thematisiert die amerikanische TruppenprĂ€senz und Johnny Cashs Stationierungszeit von 1951 bis 1954 in Landsberg und zeigt zahlreiche bislang unveröffentlichte Fotografien Johnny Cashs aus Privatbesitz.

Info: https://volkverlag.de/bayrische-gschichten/bayerische-geschichten-222015-from-landsberg-with-love/

Johnny Cash in Bayern: Eine Legende in Wartestellung

Stand: 02.07.2024, 17:15 Uhr

Von: Johannes Löhr

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Star in spe: Johnny Cash mit seiner ersten Gitarre in Landsberg am Lech.
Star in spe vor BlĂŒmchentapete: Funker Johnny Cash mit seiner ersten Gitarre in Landsberg am Lech. © Iris & Billy Joe Carnahan

Er erfuhr als Erster vom Tod Josef Stalins und schrieb Songs, die weltberĂŒhmt werden sollten: Johnny Cash war als junger Mann in Penzing stationiert. Am 3. Juli 1954 endete seine Dienstzeit.

Ein „Man in Black“ ist Johnny Cash noch nicht, wie er da auf der Bettkante seines Kameraden Billy Joe Carnahan vor einer BlĂŒmchentapete sitzt. Seine Karriere als Gesetzloser und Legende der Country-Music wartet gewissermaßen um die Ecke. Er trĂ€gt ein weißes Hemd und lĂ€chelt freundlich in die Kamera – wĂ€hrend er seine erste Gitarre spielt, die er fĂŒr 20 Mark im Landsberger Musikhaus Ballach gekauft hat. „Ich trug sie durch den kalten deutschen Winter zum StĂŒtzpunkt zurĂŒck“, erinnert er sich in seiner Autobiografie. „Diesen Fußmarsch werde ich nie vergessen, sechseinhalb Kilometer durch knietiefen Schnee.“

Schneidig: Johnny Cash in Airforce-Uniform mit dem Kameraden Bernard Simmons in Penzing.
Schneidig: Johnny Cash in Airforce-Uniform mit dem Kameraden Bernard Simmons in Penzing. © William Harrell

Seinen ersten Hit schrieb er bei der Abreise aus Bayern

Cash hat fĂŒr seinen Armeedienst die Wahl: Entweder die Insel Adak vor Alaska. Oder Bayern. „Die Entscheidung fiel mir nicht schwer: Ewiges Eis oder gutes Essen und ,FrĂ€uleins‘? Ich entschied mich fĂŒr Landsberg.“ Als Soldat in good old Bavaria macht er seine FingerĂŒbungen, bis es endlich so weit ist: Am 3. Juli 1954, vor 70 Jahren, wird er ehrenhaft aus der amerikanischen Luftwaffe entlassen, nachdem er vom 8. Oktober 1951 an im Fliegerhorst von Penzing im Lechrain stationiert war. Im folgenden FrĂŒhling spielt er bei Sam Phillips in Memphis, Tennessee, das Lied „Hey Porter“ ein. Sein erster Hit bei Sun Records. Geschrieben im Zug bei der Abreise aus Bayern. „Hey Schaffner!“ Er wollte so schnell wie möglich heim.

Der Rock’n’Roll-Evergreen „Blue Suede Shoes“ hat seine Wurzeln in Landsberg

Auf dem Instrument von Ballach verfasst Johnny Cash einige heute weltberĂŒhmte Songs. „Don‘t take your Guns to Town“ etwa ist eine simple Anweisung an die MilitĂ€rs: „Schusswaffen nicht in die Stadt mitnehmen.“ Die Hauptfigur des Songs, der ĂŒbermĂŒtige Billy Joe, ist Namensvetter des Kameraden mit der BlĂŒmchentapete. Der „Folsom Prison Blues“ verweist auf einen Kinoabend gleich nach seiner Ankunft in Bayern (der Film „Inside the Walls of Folsom Prison“, wurde am 13. Oktober 1951 im Fliegerhorst gezeigt). Und sein adrett gekleideter Vorgesetzter C. V. White belustigt ihn mit dem Spruch: „Just don‘t step on my Blue Suede Shoes“ („Tritt mir bloß nicht auf meine blauen Velourslederschuhe“). Cash erzĂ€hlt spĂ€ter dem SĂ€nger-Kollegen Carl Perkins davon, der sogleich einen Rock’n’Roll-Evergreen aus dem Schuhwerk schneidert, den Elvis Presley berĂŒhmt macht.

Johnny Cash zeigt am Swimmingpool des Fliegerhorstes Panzing einem Kameraden den Stinkefinger
Johnny Cash zeigt am Swimmingpool des Fliegerhorstes Penzing einem Kameraden den Stinkefinger © William Harrell

Von Landsberg ist Cash nicht gerade beeindruckt. Die Deutschen seien ĂŒberhaupt alle verrĂŒckt: Jeder fahre Fahrrad und die Straßen seien voll wie ein Bienenstock. DafĂŒr ist er begeistert von Neuschwanstein, bringt vom Oktoberfest einen Teddy mit, geht schwarzfischen in Oberammergau, skifahren in Garmisch und segeln auf dem Ammersee. Im FrĂŒhling 1953 geht er sogar bereits als Randnotiz in die Weltgeschichte ein: Er ist als diensthabender Funker der erste Mensch der freien Welt, der vom Tod Josef Stalins erfĂ€hrt (er fĂ€ngt eine Morse-Nachricht ab) und diese Kunde weiterverbreitet.

Johnny Cash beim Segeln auf dem Ammersee.
Johnny Cash beim Segeln auf dem Ammersee. © William Harrell

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