Das Grand Prix-Fieber war riesig als sich am 3. Februar 1975 die Kandidaten für den deutschen Vorentscheid trafen. Wer wird wohl der Nachfolger von ABBA, die 1974 den Grand Prix de la Chanson, wie der European Song Contest in den 70er Jahren noch hieß, gewonnen haben.
Zunächst einmal wollte man aber wissen, wer vertritt Deutschland in Stockholm, Schweden. Der deutsche Vorentscheid fand in Frankfurt statt. Hochkarätige Schlagerstars wie Katja Ebstein, Peggy March, Marianne Rosenberg, Jürgen Marcus, Mary Roos, Maggie Mae, Joy Fleming sowie die Französin Severine, die 1971 für Luxemburg sogar schon einmal den Grand Prix gewonnen hatte.
Grand Prix de la Chanson: Ein Lied für Stockholm
Gesucht wird “Ein Lied für Stockholm”. Nachdem alle Titel vorstellt wurden, wählte eine Jury den Sieger, der Deutschland in Schweden vertreten durfte. Gewonnen hat bekanntlich Joy Fleming mit “Ein Lied kann ein Brück sein”. Der Song wurde geschrieben von Rainer Pietsch und Michael Holm.
Heute hört man oft, und das zu Recht, dass der deutsche Beitrag nicht weniger gelungener war als der spätere Siegertitel in Stockholm, die niederländische Gruppe Teach Inn mit “Ding A Dong”.
Nach dem Vorentscheid war man in den bunten Blättern wenig begeistert von Joy Flemmings Hit. Da hieß es, dass der falsche Song nach Schweden fahren würde und eine heimliche Abstimmung nicht mehr der Zeit entspricht. Besonders junge Leute hatten fest auf Maggie Mae oder Marianne Rosenberg gesetzt, die zu dieser Zeit besonders angesagt in der Bravo waren. Maggie Maes Beitrag beschreibt “Die total verrückte Zeit”.
Moderiert wurde dieser Abend von “Lotto-Fee” Karin Tietze-Ludwig. Unter den vorgestellten Songs war auch “Er gehört zu mir” zu finden. Marianne Rosenberg wurde in den Charts auch erheblich erfolgreicher als der deutsche Grand Prix Beitrag. Das Lied wurde erst Jahre später zum Kult-Schlager.
Übertroffen wurde der Erfolg von “Er gehört zu mir” sogar noch von Jürgen Marcus. Sein “Ein Lied zieht hinaus in die Welt” landete bei der Fachjury auf Platz 9, in den deutschen Verkaufscharts auf Platz 3.
Peggy March landet mit “Alles geht vorüber”, einen Song aus der Feder von Ralph Siegel und Bernd Meinunger, schaffte es auf Platz 2 auf der Suche nach dem “Lied für Stockholm”. In den Hitparaden floppte der Schlager.
Wenig erfolgreich war der Beitrag von Werner W. Becker, der den Text zu “Heut bin ich arm, heut bin ich reich” geschrieben hat. Die Melodie schrieb Nick Munro. Wer nun sagt, das ist ein Lied von Roger Whittaker hat Recht. Nick Munro war der Komponist fast aller deutschsprachigen Hits vom populären Briten. Roger Whittaker konnte mit der Komposition wohl mehr anfangen als die Juroren.
Wäre Werner W. Becker unter seinem Künstlernamen Antony Ventura ins Rennen gegangen, wer weiß wo dieser Song dann gelandet wäre. Antony Ventura landete seit 1973 regelmäßig mit seinen Instrumental-Aufnahmen weit oben in den Charts.
Mary Roos ging mit “Eine Liebe ist wie ein Lied” ins Rennen. Die Erfolgs verwöhnte Interpretin landete bei diesem Vorentscheid auf dem 3. Platz.
Diesen Platz musste sich die Sängerin, die Deutschland zweimal bei ESC vertreten hat, mit der Gruppe Love Generation teilen. “Hör wieder Radio” wurde natürlich ein Hit im Radio.
Als eine der Favoritinnen musste sich Katja Ebstein mit der Christian Bruhn/Michael Kunze Komposition “Ich liebe dich” mit Platz 5 begnügen.
Weitere Teilnehmer an diesem Vorentscheid waren Shuki & Aviva, Peter Horton, die Jokers, Nicki Holt und Ricky Gordon.
In Stockholm schaffte es “Ein Lied kann eine Brücke sein” nur auf den drittletzten Rang. Dennoch konnte niemand Joy Flemming dieses Abenteuer nehmen. Oft wurde sie auf ihren Aufenthalt in Stockholm angesprochen. Stolz sagte sie dann: “Das Lied war doch gut, vier Oktaven, kein Schlager, eine Bombenstimmung in der Halle, es war eine unglaubliche Erfahrung.”