“Sag mir, wo die Jahre sind. Wo sind sie geblieben ?”, fragte sich Manfred Schulte bereits vor einigen Jahren, als er das Programm der ersten “Großen Schlager-Starparade” auf seiner facebook-Seite postete. Heute vor 27 Jahren, am 03.03.1996, fand sie in der Olympiahalle München statt.
Die großen Schlager-Stars der 90er Jahre trafen sich in München
Fünfzehn Jahre lang war Manni Schulte der gute Geist der größten deutschen Schlager-Veranstaltung. Als ehemaliger Mitarbeiter der Ariola und späterer Radio-Promoter hatte er nicht nur einen herzlichen und freundschaftlichen Kontakt zu vielen Künstlern, sondern wusste auch wie man mit Journalisten umzugehen hat.
Neben ein paar Infos und Erinnerungen lassen wir die Gäste der ersten Show aufleben. Viele von ihnen sind nicht mehr unter uns. Das gilt für drei der vier Moderatoren sowie einige unvergessene Künstler. Der populäre bayerische Radiomoderator Teddy Parker, der auch als Schlagersänger erfolgreich war, hatte ein Heimspiel in seiner Heimatstadt München und begrüßte als ersten Künstler Tommy Steiner. Der hatte um 13 Uhr die Aufgabe übernommen, die Schlagerfans bei diesem großen Ereignis, in Stimmung zu bringen. Wenn man das Publikum mit “So schön wird’s nie wieder sein” begrüßen kann, hat man den perfekten Opener im Gepäck.
25 Minuten hatten die Künstler an diesem unvergessenen Schlagernachmittag Zeit, das Publikum von sich und ihren Schlagern zu überzeugen. Ein Schützling von Gastgeber Manni Schulte war Michelle, die es geschafft hatte, sich in kürzester Zeit als Schlagersängerin zu etablieren. Bestimmt hat sie an diesem Abend auch “Dornröschen ist aufgewacht” gesungen. Diesen Hit komponierte ihr Jean Frankfurter, der auch für die ersten großen Erfolge von Helene Fischer verantwortlich ist. Den Text schrieb ihre Entdeckerin und Freundin Kristina Bach.
“Durch die Freundschaft zu Karl-Heinz Schweter konnte ich Michelle bereits zu Beginn ihrer Karriere einen ihrer ersten großen Live-Auftritte vermitteln”, verrät Manni Schulte, “ich war ihr Promoter und er war verantwortlich für die Shows des Münchener Radiosenders Arabella. Als er den Sender verließ hatte er das Ziel, diese Veranstaltung weiterleben zu lassen. Bis dahin war sein Korsett für die Veranstaltung noch sehr eng. Er sprach mich an und sagte: ‘Was hältst du davon, wenn für Michelle und andere große Talente Platz in einer Schlager-Show ist? Ich möchte die Schlager-Show in der Olympiahalle weiter leben lassen. Wollen wir es nicht gemeinsam versuchen?’ Wir haben es bekanntlich nicht nur versucht, sondern auch in die Tat umgesetzt.”
Nach Michelle, die mit ihrer frechen und fröhlichen Art dem Publikum mächtig eingeheizt hatte, versorgte Tom Astor die Schlagerfans mit ein wenig Country-Musik. Keine Frage, dass er auch seinen Superhit “Flieg junger Adler” dabei hatte. Mit diesem Hit wurde er 1993 Jahressieger der ZDF-Hitparade.
Den ersten Block beendeten Cindy & Bert. Das Duo hatte all ihre großen Hits dabei und präsentierte sie in Form eines Medleys. Das Publikum war völlig aus dem Häuschen und brauchte anschließend eine kurze Pause, um die Begeisterung untereinander auszutauschen.
Die beiden Veranstalter pflegten beste Kontakte zu Rundfunk- und Fernsehmoderatoren im ganzen Lande. Als Präsentator hatte man die Bayerische Rundfunkwerbung an Bord und deren Moderatoren führten durch die vier Musikblöcke. Nach Teddy Parker war der Mann mit der sanften, tiefen Stimme an der Reihe. Elmar Gunsch hatte gleich als erstes einen Künstler zu bieten, der die Olympiahalle in einen Hexenkessel und Tanzpalast verwandelte. Wolfgang Petry brachte die Olympiahalle in seinen 25 Minuten zum Kochen. Er war seit seinem Comeback mit “Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n” der unangefochtene Schlagerstar Nummer Eins. Möglicherweise hatte er am selben Abend noch einen großen Solo-Auftritt. Doch seinen langjährigen Wegbegleiter Manni Schulte wollte er bei dessen Veranstalter-Debüt in keinem Falle im Stich lassen.
“Die großen Stars sind immer gern zu uns in die Schlager-Starparade gekommen. Wir haben immer dafür gesorgt, dass die Party mit der Veranstaltung nicht zu Ende war. Anschließend trafen sich alle im Hotel. Dort ging es dann zu wie auf einem Klassentreffen”, erinnert sich Manni Schulte, “da waren Karl-Heinz und ich uns einig, dass wir das, was wir machen, mit Herz und Verstand angehen.”
Auch die Party in der Halle ging nach dem Auftritt von Wolfgang Petry weiter, obwohl die Zugabe-Rufe zunächst nicht aufhören wollten. Doch schnell hatte Elmar Gunsch das Publikum wieder im Griff und kündigte einen Weltstar an: Die Amerikanerin Peggy March ließ es sich nicht nehmen, in ihrer zweiten Heimat München aufzutreten. Schnell hatte die Entertainerin das Publikum im Griff. Sie weiß, wie man ein Publikum in seinen Bann zieht, denn man schätzt sie und ihre Gala-Auftritte überall auf der Welt. Natürlich durfte sie nicht ohne ihren großen Hit “Mit 17 hat man noch Träume” von der Bühne.
Es folgte Bernd Clüver, der sowohl seine großen Hits der 70er anzubieten hatte, als auch das internationale Niveau von Peggy March aufrecht erhalten konnte. Er liebte die Songs von Neil Diamond. Bei Live-Auftritten bot er den Schlager-Fans eine deutsche Version zu “Let Me Take You In My Arms Again” an. “Wenn ich dich dann in die Arme nehm” heißt dieser Welthit beim smarten Publikumsliebling.
Kristina Bach war zu dieser Zeit Dauergast in der ZDF-Hitparade. Auch sie passte perfekt in diesen Showblock, denn sie ist bekanntlich ähnlich vielseitig wie ihre Vorgänger. Mit “Erst ein Capuccino” sorgte sie dafür, dass die Zuschauer der Show nach ihrem Auftritt wieder eine kurze Pause nötig hatten, um sich vom vielen Mitklatschen ein wenig zu erholen.
Hörte man die Gespräche in dieser zweiten Pause, waren sich alle einig: Das ist nicht zu übertreffen. Andererseits beim Blick in das 36-seitige Programmheft, das jeder Zuschauer mit nach Hause nehmen durfte, wusste jeder: Die nächsten Höhepunkte warteten schon auf sie. Genau so war es, denn Moderator Nummer Drei, Max Schautzer, hatte als erstes die Cowboys von der Waterkant zu bieten. Truck Stop spielten live und hatten eine Zugabe im Gepäck, die alle bejubelten. Schlagzeuger Teddy kam nach vorn und zeigte, dass er ganz besonders tief singen kann.
Schon war die Stimmung wieder perfekt. Max Schautzer begrüßte Deutschlands populärste Musical-Sängerin auf der Bühne, die mit ihrem Gesang alle Zuschauer in der Olympiahalle verzaubern konnte. Ihr aktueller Hit aus dieser Zeit heißt “Weil ich dich liebe”. Welcher Schlagerfan kann diesen Worten schon widerstehen?
Mit G.G. Anderson kamen die Zuschauer schnell wieder in Schwung. Das Video zeigt den Sänger bei einem Auftritt in Max Schautzers Show “Immer wieder sonntags”. Natürlich träumten auch im kühlen Winter 1996 alle von einer “Sommernacht in Rom”, die G.G. Anderson natürlich auch nach München mitgebracht hatte.
Für das Finale des dritten Blocks hatten die Veranstalter die “Könige der Volksmusik” zur “Großen Schlager-Starparade” eingeladen. Die Kastelruther Spatzen füllen die Olympia-Halle auch ohne viele prominente Kollegen. Viele ihrer treuen Fans wollten auch diesen Auftritt nicht verpassen. Kastelruth liegt bekanntlich in Südtirol. Südtirol liegt in Italien. Die Spatzen beherrschen auch die Canzone: Hört euch ihre Version von “Tornero” live gesungen an. Diese Volksmusikanten beherrschen auch internationalen Schlager.
Beim Anblick des Moderators, der durch den finalen, vierten Block führte, ging vielen Schlagerfans das Herz auf. Dieter Thomas Heck kam von Mallorca nach München, um Karl-Heinz Schweter und Manni Schulte bei ihrem Projekt, Schlager ein neues Show-Format zu verpassen, zu unterstützen. Als erstes hatte der Vater der “ZDF-Hitparade” die “Königin der ZDF-Hitparade” anzusagen. Nicole kam, sah und siegte. Sie hatte auch den “Hit des Jahres 1995” der ZDF-Show in ihrem Programm zu bieten: “Mehr als ein bißchen Frieden”, geschrieben von Ralph Siegel und Bernd Meinunger, die natürlich auch eben mal in der Olympiahalle vorbei geschaut haben.
“Die goldene Stimme aus Prag” durfte an diesem besonderen Tag des deutschen Schlagers auch nicht fehlen. Sein Auftritt war ein einziges Medley voller unvergessener Hits. Karel Gott lieferte einen weiteren Höhepunkt dieses einzigartigen Sonntags.
Längst war auch die Laune der beiden Veranstalter auf dem Höhepunkt. Die erste “Große Schlager-Starparade” ging dem Ende zu und das Publikum war restlos begeistert. Vergessen waren die kalten Füße, die Manni Schulte und sein Partner Karl-Heinz Schweter, in den vergangenen Monaten einige Male hatten. Sie bildeten ein Team, dass dem Schlager in den kommenden 15 Jahren aus dem Tief halfen. Bei den beiden sollten viele Talente ihren ersten großen Auftritt haben. Allen voran Helene Fischer, die zu ihren Förderern nach wie vor einen freundschaftlichen Kontakt hält.
Mit Claudia Jung hatte Dieter Thomas Heck einen aktuellen Top Star des Schlagers zu bieten. Die gebürtige Rheinländerin hat in Bayern ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden. So konnte sie der Moderator als Lokalmatadorin ansagen. Das bayerische Publikum feierte mit ihr eine ausgelassene Party. Still wurde es als sie ihren Superhit “Je t’aime mon amour” anstimmte. So schön klingen Schlager der 90er Jahre.
Eine österreichische Gruppe durfte das Finale der Show spielen. Die Paldauer landeten zu dieser Zeit Hit auf Hit. Sie holten die letzten Energien aus dem begeisterten Publikum. Zum Abschluss fragte Dieter Thomas Heck die Zuschauer, ob man sich im kommenden Jahr bei der “Großen Schlager-Starparade” wiedersehen wird. Die Zustimmung lag bei weit über 90 Prozent. Abschließend stellte er den Paldauern die selbe Frage. Die antworteten mit ihrem neuen Schlager “Worauf du dich verlassen kannst”.
Ein letzter Satz zum Publikum: Es war mit seiner Begeisterung Teil des Erfolgs. Die Mund zu Mund-Propaganda sorgte dafür, dass in den kommenden Jahren alle Plätze ausverkauft waren und Karl-Heinz Schweter und Manni Schulte in ihrer Heimatstadt München eine “Institution des Schlagers” schaffen konnten.
Auf die Frage an Manni Schulte, ob er nach der Show erschöpft ins Bett gefallen ist antwortete er sofort: “Wir hatten einen Grund zu feiern und so haben wir es bis zur letzten gemeinsamen Show gehalten.”
Danke, Manni! Manni Schulte starb am 19. Juli 2023 nach langer schwerer Krankheit. Alle, die mit ihm zu tun hatten, werden sich bestimmt gern an den sympathischen Manager und Promotor erinnern.