Nach dem Album ist vor der Single: Nur wenige Wochen nachdem Clueso mit »ALBUM« Platz zwei der deutschen Longplay-Charts erreicht hat, kommt mit der neuen Single »Fehler fehlen« ein wunderbar sommerfrisches Plädoyer für mehr Nachsicht – uns selbst und anderen gegenüber.
Wir hören einen unwiderstehlich relaxten Beat, zu dem man sofort ins Cabrio springen und über verwinkelte Küstenstraßen fahren möchte, was ja nach Winter und zigster Coronawelle schon mal ein guter Start ist. Endgültig dahin ist man aber, wenn diese wunderbar lässige Clueso-Kopfstimme dazukommt, die sich wie aus dem Nichts in kühnste Bee-Gees-Register emporschraubt – hat man so auch noch nicht oft von ihm gehört.
Dabei war es alles andere als selbstverständlich, dass »Fehler fehlen« überhaupt das Licht der Welt erblicken würde: Zwei Jahre lang hatte Clueso für »ALBUM« mit alten und neuen Freunden aus den unterschiedlichsten Bereichen künstlerisch so viel gewagt und ausprobiert wie noch nie. Dass nach so einer beeindruckenden musikalischen Reise auch mal etwas übrigbleibt, das zwar toll ist, sich aber nicht direkt ins Werk fügen will, liegt in der Natur der Sache.
Geschrieben hatte Clueso die neue Single nämlich bereits 2019 während der gemeinsamen Sessions mit dem alten Freund und Produzenten Tobias Kuhn, der damals den »ALBUM«-Track »Tanzen« produzierte. »Ich habe den Song von Anfang an geliebt«, sagt Clueso, »aber irgendwie hätte er nicht so richtig aufs Album gepasst. Er ist mir aber viel zu wichtig, um ihn liegenzulassen.«
Also hat er sich »Fehler fehlen« gemeinsam mit Kuhn und dem Songschreiber und Produzenten Daniel Flamm noch einmal vorgenommen, hier und da Details ergänzt – um uns nun mit diesem in vollem Glanz erstrahlenden Song genau den richtigen Vibe zur rechten Zeit zu schenken. Musikalisch bringt Clueso mit »Fehler fehlen« die Gefühle und Sehnsüchte auf den Punkt, die uns aktuell wohl alle umtreiben: Sommer, Sonne Freiheit.
Interessanter ist aber die inhaltliche Ebene: »Selbst wenn ich könnt‘, ich würd‘ nichts ändern / Weil es nur das Bild verdreht«, singt Clueso. Es geht darum, dass unsere Schwächen und Fehler natürlich ebenso ein Teil von uns sind wie die guten Seiten, wir sind schließlich alle multiple Persönlichkeiten, weswegen es weiter heißt: »Mir würden meine Fehler fehlen / Und alle lockeren Schrauben / Ich würd‘ sie niemals tauschen.«
Überlegungen, denen man angesichts permanent überdrehter Twitter-Spiralen, gesellschaftlicher Spaltung und überhitzter Schwarz-weiß-Debatten mal wieder einen Moment Aufmerksamkeit schenken sollte.
Denn letztlich ist es ja so: Wenn man zwar den Splitter im fremden Auge, aber nicht den Balken im eigenen sehen kann, hilft es ungemein, mal einen Schritt zurückzutreten. Sich selbst und anderen zu verzeihen, bringt Erleichterung, aufgestaute Wut führt zu nichts. »Bei Rache geht es darum, dass man sich selbst gut fühlt, bei Gerechtigkeit geht es um Harmonie«, sagt Clueso. Den Satz hat er aus »Batman Begins«.
Und zu diesem wunderbaren Plädoyer für eine vernünftige Fehlerkultur reichen wir uns dann im Frühling und im Sommer alle die Hände, wenn es endlich so weit ist und Clueso seine Musik in die neunte Staffel von »Sing meinen Song« und auf die Festivalbühnen der Republik bringt.