Exklusiv-Interview mit Adrian Werum : Orchester der Kulturen

Im Gespräche mit Adrian Werum, dem Musikalischer Leiter vom Orchester der Kulturen: 

Sie haben bereits auf den Bühnen der Welt dirigiert. Wie sind Sie selbst zur Musik gekommen?

Adrian Werum: Mein erstes Instrument war das Klavier, was ich meinem Vater abgeschaut habe, der dann auch mein erster Lehrer war.
Die entscheidenden Momente, die Musik zum Beruf zu machen, kamen dann aber durch meinen Opa, Der mir jedesmal 5 D-Mark gab, wenn ich Klavier spielte. Für einen 5 Jährigen in einer Zeit, in der die Kugel Eis 20 Pfennig kostete, war dies ein kraftvolles Argument.
Der endgültige Entschluss, statt Architektur, was mir auch sehr lag, die Musik zu wählen, kam dann durch einen Auftritt mit einer Cellistin
Im Alter von 16 Jahren im Kloster Eberbach im Rheingau.
Die Kombination von Rheingauer Riesling im Beisein von einer fantastischen Musikerin lies mich endgültig schwach werden.

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https://youtu.be/pH8L4b59G8o

Ihr musikalisches Repertoire ist nicht nur auf die Klassik beschränkt – auch im Musical konnten Sie Erfolge feiern. Bitte erzählen Sie uns kurz davon.

Adrian Werum: Eine der schönsten Shows war mit Sicherheit „Hollywood Diva“, das ich 2014 für das Operettentheater in St.Petersburg schrieb.
Das Stück gewann die „Goldene Maske“ in Moskau und lief 2 Jahre mit grossem Erfolg.
Nie vergessen werde ich die erste Chorprobe, bei der ich erwartete, alle Stimmen beizubringen. Stattdessen waren die Sänger mit Ihren wunderbar ausgebildeten Stimmen so gut vorbereitet, dass schon beim ersten Auftakt der Klang fulminant war.
Bei dieser Produktion habe ich Oksana Voitovitch kennengelernt, die nun auch im „Orchester der Kulturen“ singt.

Für „Tanz der Vampire“ habe ich einige Orchestrationen schon für die Uraufführung in Wien geschrieben und die Show dann jahrelang in Wien und Stuttgart dirigiert, Bevor ich auch bei der recht abenteuerlichen Produktion in New York  beteiligt war.
Den Erfolg der Produktion in Wien machte dabei auch viel Improvisiertes aus. Da Jim Steinman nun weiss Gott kein schneller Schreiber war, sang in den Proben Roman Polanski selbst einige Phrasen aus dem Film vor, die wir dann in die Show einbauten. Die grossartige Grabszene im 2. Akt mit der herunterfahrenden Grabwand wiederum entstand wiederum nur gegen den Widerstand von Polanski, der ursprünglich einen Vorhang haben wollte, sich dann aber doch dem Zeitmangel und der überraschenden Wirkung des verhassten offenen Umbaus ergeben musste.

Udo Jürgens’ Show „Ich war noch niemals in New York“ habe ich wiederum in gewisser Weise von verschiedenen Seiten kennengelernt: 
Einmal war ich bei einer seiner Tourneen als Keyboarder dabei. Später dann war ich Musikalischer Leiter der Show in Zürich und musste die ersten Monate alle 7 Shows in der Woche durchdirigieren. Die Konstante dabei waren doch überraschend viele Frauen im Orchester und auf der Bühne, die von Udo Jürgens mal zum Champagner Trinken in seiner Suite eingeladen worden waren.

Eine der härtesten Shows war mit Sicherheit die Schweizer Show „Gotthelf“ die ich in Thun dirigierte. Die Stichworte auf Berner Detsch zu verstehen allein  liess schon starke Zweifel an den 
Gemeinsamen kulturellen Wurzeln mit der Schweiz aufkommen. 

Spannend war auch eine Show in Korea, für die ich  Musical Supervisor war. Nachdem wir etwas Schwierigkeiten bei der Besetzung mit der Hauptrolle hatten, lud der Produzent den Regisseur und mich in einen Nachtclub ein. Als wir Ihm davon erzählten , rief er spontan ein Model von Asiana Airlines an, die dann auch nach einer halben Stunde eintraf und dann mit der Band des Nachtclubs Ihre Audition für uns absolvierte.  So begeistert wir auch zu diesem Zeitpunkt von Ihr waren, blieben wir doch noch so nüchtern, Sie um eine weitere Audition im Ballettsaal am nächsten Tag zu bitten. —Sie wurde dann doch nicht die Hauptrolle.
Später habe ich einen Orchestrator aus der Probe geschmissen, der sich sowohl im Ton an den Musikern wie auch an der Musik mit seiner schlampigen Arbeit verging. Wie die Koreaner Ihn aus Loyalität mir gegenüber mit dem charmantesten Lächeln auflaufen  liessen, war ein grandioses Erlebnis und hat meine Bewunderung für die koreanische Kultur für immer geprägt.

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https://youtu.be/sdJT-2CycEI


Musik verbindet. Mit dem Orchester der Kulturen leben Sie diesen Leitsatz. Was macht das Orchester der Kulturen aus?

Adrian Werum: Alles Grosse hat seine Bewährungsprobe im Kleinen. „Seid umschlungen, Millionen“ wie Schiller so schön sagt, geht nur, wenn man den einzelnen Menschen ernst nimmt.
Jeder Mensch ist natürlich auch das Produkt seiner Erziehung und vieler kultureller Prägungen. Aber Entscheidend ist es, jeden Menschen in seiner Individualität zu achten. Und das ist genau das Wertvollste, was wir alle haben und was in der menschlichen Moderne immer Wieder auf das Perfideste bedroht ist; ob durch Ideologien, gutgemeinte Bevormundung oder einfach nur unsinnige Vorschriften, die einem die letzte Lust an Spontanteität und Kreativität rauben. 
Ein einfaches Motto könnte also sein: „Be a mensch“ wie man so schön im Jiddischen sagt.

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https://youtu.be/oSpgmyEGOv8


Wie hat Corona in Ihren Augen die Kulturlandschaft verändert, wo sehen Sie Hoffnungen und was macht Ihnen Sorge?

Adrian Werum: Außer der Sorge ums Geld ist ja bis jetzt nicht viel passiert. Ich hoffe, es gibt noch Leute, die die Zeit nutzen, um an neuen Inhalten statt an neuen Präsentationsformen zu arbeiten.
Eigentlich ist es ja schon beschämend, dass zum Beispiel im Jazz und in der Klassik seit Jahrzehnten nichts mehr substantiell Neues entstanden ist. 
Ich liebe persönlich die Oper, aber den Spielplan, wie er heute praktiziert wird, könnte auch der Hausinformatiker mit Copy und Paste entwerfen.
Wenn dann noch die Fantasielosigkeit einherkommt mit einer arroganten Attitüde, die angeblich der Gesellschaft den Spiegel vorhalten will, 
Aber es sich eigentlich nur an den Fleischtöpfen der Subventionsgelder  gemütlich machen will, ist das für mich schwer erträglich.
Da finde ich, dass Einiges auch in der Kunst ruhig den Untergang verdient hat.
Ich persönlich werde keine mittelmässige Schauspielerin vermissen, die sich zum x-ten Mal am Leben der  Marlene Dietrich oder  Edith Piaf vergreift.
In viel zu vielen Kunstformen hat man sich meiner Ansicht auf die Trägheit des Publikums verlassen und versäumt, neue Publikumsschichten zu gewinnen. Meine Sorge ist, dass man diese Missstände wieder notdürftig verdecken wird, ohne etwas an der Substanz zu ändern.

Wo kann man das Orchester der Kulturen demnächst Live erleben?

Adrian Werum:

29.8. Killesberg Stuttgart
28.4.21 Liederhalle Stuttgart
16.12.21 Liederhalle Stuttgart mit Philharmonia Chor
23.4.22 Liederhalle Stuttgart
3.10.22 Liederhalle Stuttgart mit Philharmonia Chor
10.12.22 Liederhalle Stuttgart mit Philharmonia Chor
Weitere Termine folgen….

Auf welcher Bühne würden Sie gerne mit dem Orchester einmal spielen? 

Adrian Werum: Live in Pompeii , wie Pink Floyd 🙂 

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