Im Gespräche mit Adrian Werum, dem Musikalischer Leiter vom Orchester der Kulturen:

Sie haben bereits auf den Bühnen der Welt dirigiert. Wie sind Sie selbst zur Musik gekommen?
Adrian Werum: Mein erstes Instrument war das Klavier, was ich meinem Vater abgeschaut habe, der dann auch mein erster Lehrer war.
Die entscheidenden Momente, die Musik zum Beruf zu machen, kamen dann aber durch meinen Opa, Der mir jedesmal 5 D-Mark gab, wenn ich Klavier spielte. Für einen 5 Jährigen in einer Zeit, in der die Kugel Eis 20 Pfennig kostete, war dies ein kraftvolles Argument.
Der  endgültige Entschluss, statt Architektur, was mir auch sehr lag, die  Musik zu wählen, kam dann durch einen Auftritt mit einer Cellistin
Im Alter von 16 Jahren im Kloster Eberbach im Rheingau.
Die Kombination von Rheingauer Riesling im Beisein von einer fantastischen Musikerin lies mich endgültig schwach werden.
Ihr musikalisches Repertoire ist nicht nur auf die Klassik beschränkt – auch im Musical konnten Sie Erfolge feiern. Bitte erzählen Sie uns kurz davon.
Adrian Werum:  Eine der schönsten Shows war mit Sicherheit „Hollywood Diva“, das ich 2014 für das Operettentheater in St.Petersburg schrieb.
Das Stück gewann die „Goldene Maske“ in Moskau und lief 2 Jahre mit grossem Erfolg.
Nie vergessen werde ich die erste Chorprobe, bei der ich erwartete, alle Stimmen beizubringen. Stattdessen  waren die Sänger mit Ihren wunderbar ausgebildeten Stimmen so gut  vorbereitet, dass schon beim ersten Auftakt der Klang fulminant war.
Bei dieser Produktion habe ich Oksana Voitovitch kennengelernt, die nun auch im „Orchester der Kulturen“ singt.
Für  „Tanz der Vampire“ habe ich einige Orchestrationen schon für die  Uraufführung in Wien geschrieben und die Show dann jahrelang in Wien und  Stuttgart dirigiert, Bevor ich auch bei der recht abenteuerlichen Produktion in New York  beteiligt war.
Den  Erfolg der Produktion in Wien machte dabei auch viel Improvisiertes  aus. Da Jim Steinman nun weiss Gott kein schneller Schreiber war, sang  in den Proben Roman Polanski selbst einige Phrasen aus dem Film vor, die  wir dann in die Show einbauten. Die grossartige Grabszene im 2. Akt mit  der herunterfahrenden Grabwand wiederum entstand wiederum nur gegen den  Widerstand von Polanski, der ursprünglich einen Vorhang haben wollte,  sich dann aber doch dem Zeitmangel und der überraschenden Wirkung des  verhassten offenen Umbaus ergeben musste.
Udo 
Jürgens’ Show „Ich war noch niemals in New York“ habe ich wiederum in 
gewisser Weise von verschiedenen Seiten kennengelernt: 
Einmal
 war ich bei einer seiner Tourneen als Keyboarder dabei. Später dann war
 ich Musikalischer Leiter der Show in Zürich und musste die ersten 
Monate alle 7 Shows in der Woche durchdirigieren. Die Konstante dabei 
waren doch überraschend viele Frauen im Orchester und auf der Bühne, die
 von Udo Jürgens mal zum Champagner Trinken in seiner Suite eingeladen 
worden waren.
Eine der härtesten Shows war mit 
Sicherheit die Schweizer Show „Gotthelf“ die ich in Thun dirigierte. Die
 Stichworte auf Berner Detsch zu verstehen allein  liess schon starke 
Zweifel an den 
Gemeinsamen kulturellen Wurzeln mit der Schweiz aufkommen. 
Spannend  war auch eine Show in Korea, für die ich  Musical Supervisor war.  Nachdem wir etwas Schwierigkeiten bei der Besetzung mit der Hauptrolle  hatten, lud der Produzent den Regisseur und mich in einen Nachtclub ein.  Als wir Ihm davon erzählten , rief er spontan ein Model von Asiana  Airlines an, die dann auch nach einer halben Stunde eintraf und dann mit  der Band des Nachtclubs Ihre Audition für uns absolvierte.  So  begeistert wir auch zu diesem Zeitpunkt von Ihr waren, blieben wir doch  noch so nüchtern, Sie um eine weitere Audition im Ballettsaal am  nächsten Tag zu bitten. —Sie wurde dann doch nicht die Hauptrolle.
Später  habe ich einen Orchestrator aus der Probe geschmissen, der sich sowohl  im Ton an den Musikern wie auch an der Musik mit seiner schlampigen  Arbeit verging. Wie die Koreaner Ihn aus Loyalität mir gegenüber mit dem  charmantesten Lächeln auflaufen  liessen, war ein grandioses Erlebnis  und hat meine Bewunderung für die koreanische Kultur für immer geprägt.
Musik verbindet. Mit dem Orchester der Kulturen leben Sie diesen Leitsatz. Was macht das Orchester der Kulturen aus?
 Adrian Werum:  Alles  Grosse hat seine Bewährungsprobe im Kleinen. „Seid umschlungen,  Millionen“ wie Schiller so schön sagt, geht nur, wenn man den einzelnen  Menschen ernst nimmt.
Jeder Mensch ist natürlich auch das  Produkt seiner Erziehung und vieler kultureller Prägungen. Aber  Entscheidend ist es, jeden Menschen in seiner Individualität zu achten. Und  das ist genau das Wertvollste, was wir alle haben und was in der  menschlichen Moderne immer Wieder auf das Perfideste bedroht ist; ob  durch Ideologien, gutgemeinte Bevormundung oder einfach nur unsinnige  Vorschriften, die einem die letzte Lust an Spontanteität und Kreativität  rauben. 
Ein einfaches Motto könnte also sein: „Be a mensch“ wie man so schön im Jiddischen sagt.
Wie hat Corona in Ihren Augen die Kulturlandschaft verändert, wo sehen Sie Hoffnungen und was macht Ihnen Sorge?
 Adrian Werum:  Außer der Sorge ums Geld ist ja bis jetzt nicht viel passiert. Ich hoffe, es  gibt noch Leute, die die Zeit nutzen, um an neuen Inhalten statt an  neuen Präsentationsformen zu arbeiten.
Eigentlich ist es ja  schon beschämend, dass zum Beispiel im Jazz und in der Klassik seit  Jahrzehnten nichts mehr substantiell Neues entstanden ist. 
Ich  liebe persönlich die Oper, aber den Spielplan, wie er heute praktiziert  wird, könnte auch der Hausinformatiker mit Copy und Paste entwerfen.
Wenn  dann noch die Fantasielosigkeit einherkommt mit einer arroganten  Attitüde, die angeblich der Gesellschaft den Spiegel vorhalten will, 
Aber  es sich eigentlich nur an den Fleischtöpfen der Subventionsgelder   gemütlich machen will, ist das für mich schwer erträglich.
Da finde ich, dass Einiges auch in der Kunst ruhig den Untergang verdient hat.
Ich  persönlich werde keine mittelmässige Schauspielerin vermissen, die sich  zum x-ten Mal am Leben der  Marlene Dietrich oder  Edith Piaf  vergreift.
In viel zu vielen Kunstformen hat man sich meiner  Ansicht auf die Trägheit des Publikums verlassen und versäumt, neue  Publikumsschichten zu gewinnen. Meine Sorge ist, dass man diese Missstände wieder notdürftig verdecken wird, ohne etwas an der Substanz zu ändern.
Wo kann man das Orchester der Kulturen demnächst Live erleben?
Adrian Werum:
29.8. Killesberg Stuttgart
28.4.21 Liederhalle Stuttgart
16.12.21 Liederhalle Stuttgart mit Philharmonia Chor
23.4.22 Liederhalle Stuttgart
3.10.22 Liederhalle Stuttgart mit Philharmonia Chor
10.12.22 Liederhalle Stuttgart mit Philharmonia Chor
Weitere Termine folgen….
Auf welcher Bühne würden Sie gerne mit dem Orchester einmal spielen?
Adrian Werum: Live in Pompeii , wie Pink Floyd 🙂
