Achim Reichel: Zurück in die 70er Jahre!

Exklusiv-Interview mit dem Musiker und Storyteller:

„Bevor am heutigen Abend wunderliche Dinge geschehen, empfehle ich allen, es sich in den Sitzen bequem zu machen, und innerlich auf eine Zeitreise einzustimmen“, mit diesen Worten begrüßte Achim Reichel die Besucher seines Konzerts im vergangenen September in der Hamburger Elbphilharmonie und fuhr fort, „wenn der Zauber gelingt, wird des vergangenen Jahrtausends krautrockige Geist aus seiner Wunderlampe steigen, um dem Zusammenspiel von “Mensch & Maschine“ – wie einst in den Siebzigern, so auch Heute, wohlwollend beizuwohnen und dazu einladen, die vorüberziehenden Klanglandschaften wahlweise auch mit dem inneren Auge zu genießen.“

Die Besucher des Konzerts ließen sich drauf ein und waren aus dem Häuschen. Mit Ovationen wurde der Hamburger Jung für einen weniger erfolgreichen Abschnitt seiner Karriere vierzig Jahre später gefeiert. Dieses Erlebnis dürfen sich jetzt alle Fans des einfach anderen Musikers jetzt „antun“, denn Achim Reichel geht auf Tournee mit seiner Klangwelt des A.R. & Machines-Projekts.

Trotz vollem Terminkalender fand der Musiker, der seine Karriere bei den Rattles begann, mit den Beatles auf Tour war und nach seiner Trennung von den Rattles und vom Beat der 60er Jahre, zu einer der Institutionen deutschsprachiger Rock- und Popmusik entwickelt hat, Zeit für ein kurzes Interview.

 

Wenn ich in Kürze eines der Konzerte deiner Tour „A.R. & Machines – The Art Of German Psychedelic“ besuchen werde, erlebe ich kein ganz normales Achim Reichel-Konzert?

Achim Reichel: Eindeutiges NEIN! Es ist A.R. & machines, ein Musikkonzept, mit dem ich in der Zeit von 1970 bis 1974 – 6 Alben veröffentlich habe, die seinerzeit als Experimentell galten.

 

Kann es sein, dass ich enttäuscht in der Pause nach Hause gehe?

Achim Reichel: Wer hier erwartet, dass ich meine bekannten Songs singe, der ließt hoffentlich dieses Interview oder schaut noch mal hin was eigentlich auf dem Plakat steht. Jedenfalls ist in der ausverkauften Elbphilharmonie niemand in der Pause gegangen, stattdessen gab es standing ovations. Wer bereit ist sich auf die Musik einzulassen, wird nicht enttäuscht werden, da bin ich mir ziemlich sicher. Was zu hören sein wird, ist der inzwischen weiterentwickelte Ursprung einer Musik, aus der sich spätere Richtungen wie Ambient, Chill Out, Trance, Electro etc. entwickelten. Dazu beigetragen zu haben, hafte ich mir gern an die Brust.

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https://www.youtube.com/watch?v=whTRVShRLvQ

 

Wer sind Machines?

Achim Reichel: In der auf Echo-Looping basierenden Klangwelt von A.R. & machines wurde die Maschine zum unverzichtbaren Mit-Gestalter musikalischer Inhalte. In meiner Rolle als Gitarren-Virtuose liefere ich meinem technischen Partner AKAI X330D die motivischen Grundlagen, aus denen die Maschine, im Multilooping-Verfahren, ein sich selbst begleitendes Gitarren-Orchester generiert, und damit der begleitenden Live-Band die Richtung vorgibt.

 

Ist diese Tour dann für dich auch so etwas wie ein Klassentreffen?

Achim Reichel: Kann man nicht sagen. Von Ur-Besetzung ist nur noch einer, Olaf Casalich an der Percussion, dabei. Vielleicht wird‘s eher ein Klassenausflug.

 

Wenn eine Tournee ansteht, dann gehört auch immer ein Teil deiner Geschichte dazu. Gibt es Stationen deiner Karriere, die du grundsätzlich gern auslässt (auslassen würdest), und zum anderen Stationen, die deine aktuelle Lebenseinstellung verkörpern?

Achim Reichel: Meine 70er-Jahre mit A.R. & machines hätten eine Station zum Auslassen werden können, aber nachdem ich mich längst von dem Thema verabschiedet hatte, gelangte es in England und USA zu einer Anerkennung, die es hierzulande eben nicht bekam. Offenbar hatte man international einen weniger verstellten Blick, um das Innovative an dieser Musik vorurteilsfrei erkennen zu können. Dort wusste niemand welcher Mensch hinter dem kultisch verehrten Album “Die grüne Reise“ oder auch “Green Journey“ eigentlich steckte.
Die Lebenseinstellung verändert sich im laufe eines Menschenlebens. Was für einen 27 jährigen das Richtige ist, wird etwas anderes sein als für einen 74 jährigen. In der Musik hab ich es immer interessanter gefunden Dinge zu verändern, das hat mich in meiner Laufbahn weitergebracht als das sture Festhalten an dem einmal Erreichten.

 

Du bist seit einer kleinen Ewigkeit in der Musik. Welche der Neuerungen haben dich anfangs begeistert und wenn es ginge, würdest du sie wieder abschaffen?

Achim Reichel: In der digitalen Welt ist vieles Fluch und Segen zugleich und wird trotzdem nicht zu verhindern sein. Ich bevorzuge mittlerweile, den Dingen, die mir nicht gefallen aus dem Weg zu gehen.

 

Dann gibt es bestimmt auch Schritte, die dich nach wie vor begeistern.

Achim Reichel: Na ich bin ja auch so‘n oller Studio-Tüfftler und was die Technik möglich macht, seitdem der Computer in‘s Spiel gekommen ist, das ist besser als jede elektrische Eisenbahn.

 

Bei einem Besuch bei meiner Freundin in Hagen spielte eine Coverband „Aloah heja he“. Der Sänger rief in die Massen: „An die Ruder“. Sofort entstand eine gut 100 m lange Sitzpolonaise. Während der Strophen wurde im Takt gerudert und beim Refrain sprangen alle auf und sangen aus voller Kehle mit.
Kennst du dieses Ritual? Weisst du wie es entstanden ist?
Kennst du es nicht. Was sagst du dazu?
Wäre doch auch mal ein Aktion bei den Zugaben.

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https://www.youtube.com/watch?v=pNljuu46WlM

Achim Reichel: „Aloha heja he“ und rudern? Ja das kenne ich, davon gibt viele YouTube-Filmchen. Es soll angeblich bei der Verabschiedung eines Deutschen Ruderers von seinen Kollegen erfunden worden sein. Trotzdem, in diesem Jahr geht es nur um A.R. & machines und dabei wird Achim Reichel als innovativer Gitarrist zu hören sein und nicht zum rudern animieren.

 

Deine alte Band The Rattles sind ebenso fleißig wie du selbst immer noch unterwegs. Juckt es dich manchmal und würdest gern noch mal ein Beat-Konzert spielen?

Achim Reichel: Muss ich nicht haben, das sind schöne Erinnerungen aber im vorgerückten Alter immer noch Songs aus der Pubertät zu singen, da juckt nix.

 

Deine Konzerte sind aktuell erfolgreicher denn je. Denkt der Musiker Achim Reichel auch ans Aufhören?

Achim Reichel: Nein, nur ans kürzer treten. Musik ist mein Lebensinhalt, brauch ich wie die Luft zum atmen.

 

 

Musiker sind ihrer Zeit ja meist weit voraus. Welches Projekt steht bei dir aktuell neben der Tour an.

Achim Reichel: Ich habe angefangen meine Autobiografie zu schreiben, damit hab ich erstmal gut zu tun.
Die Jahre 1970 bis 74 sind schon fertig, und grad veröffentlicht zusammen mit einer kompletten A.R. & machines Werkschau, in einer 10 CD-Box inclusive 90-Buchseiten im Großformat mit vielen Fotos.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg auf der Tour.

Fotos: Hinrich Franck und Matti Klatt

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