Als Led Zeppelin im Oktober 1969 ihr zweites Album veröffentlichten, war schnell klar: “Whole Lotta Love” war mehr als nur der Opener. Es war ein musikalischer Urknall – laut, roh, lasziv. Vor allem aber war es das Gitarrenriff von Jimmy Page, das mit seinen wenigen Tönen ein neues Kapitel in der Rockgeschichte aufschlug. Innerhalb von Sekunden schien sich das Jahrzehnt zu drehen – willkommen in den Siebzigern!

31. Januar 1970, Led Zeppelin klettern mit ihrem Hit auf Platz 4 der US-Charts. Es ist die höchste Platzierung für “Whole Lotta Love”.
4. Februar 2022, Leona Lewis & Jimmy Page interpretieren “Whole Lotta Love” während der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking.
15. Februar 1970, “Whole Lotta Love” steigt auf Platz 23 in die Deutschen Charts ein.
21. Februar 1970, “Whole Lotta Love” steigt in die Belgischen Charts ein.
1. März 1970, bei der nächsten Ausgabe der Offiziellen Deutschen Charts steht der Hit bereits auf Platz 1. Dort bleibt er für fünf Wochen.
10. März 1970, Led Zeppelin steigen mit ihrem Hit in die Schweizer Hitparde ein.
15. März 1970, “Whole Lotta Love” steigt in die Österreichischen Charts ein.
28. März 1970, der “Beat-Club” zeigt den Hit auf einem selbst erstellten Video.
24. Juni 1969, Led Zeppelin nehmen ihren Hit “Whole Lotta Love” für ihr zweites Album auf.
14. September 2013, der Hit steigt in die Französischen Charts ein.
16. September 1970, Led Zeppelin gewannen in diesem Jahr die Leserwahl des “Melody Makers”. Zum ersten Male gewannen nicht die Beatles.
22. Oktober 1969, Led Zeppelin veröffentlichen das Album “Led Zeppelin II”.
7. November 1969, der Song wird als Single veröffentlicht.
22. November 1969, “Whole Lotta Love” steigt in die US-Charts ein.
5. Dezember 1969, die Single wird in Europa veröffentlicht.
27. Dezember 1969, Led Zeppelin steigen mit “Whole Lotta Love” in die Niederländischen Charts ein.
Entgegen anders lautender Gerüchte entstand „Whole Lotta Love“ nicht während eines Konzerts, sondern – ganz klassisch – beim Proben neuer Songs für das zweite Album. Jimmy Page selbst stellte in einem Interview klar:
„Nein, er wurde zusammengesetzt, als wir Musik für unser zweites Album probten. Ich hatte ein Riff, alle waren in meinem Haus und wir legten los.“
Jimmy Page
Was folgte, war eine Mischung aus explosiver Energie, virtuosem Studiowahnsinn – und, wie Kritiker sagen, einem gewissen Maß an „Inspiration“ durch andere Künstler.
Der Song lehnt sich deutlich an „You Need Loving“ von den Small Faces an – eine Steve Marriott-Komposition aus dem Jahr 1966. Dennoch wurden ausschließlich die vier Bandmitglieder als Urheber des Zeppelin-Songs eingetragen. Und tatsächlich war es ihr unverkennbarer Stil, der aus dem ursprünglichen Blues-Schema ein rockmusikalisches Ungeheuer machte:
- ein markantes 5-Noten-Riff auf einer verzerrten Telecaster,
- ein psychedelischer Mittelteil mit Theremin und sirenenhaften Effekten,
- ein Outro mit dem damals revolutionären Rückwärts-Nachhall,
- und eine Songstruktur in ABA-Form – alles zusammen ergibt einen Sound, der bis heute nachhallt.
Die Aufnahmen zogen sich über mehrere Studios hin, begannen aber im Mai 1969 in den Olympic Studios in London. Sänger Robert Plant lieferte seinen Gesang angeblich in einem Take ab. Produzent Peter Grant und Tontechniker Eddie Kramer legten Hand an, um einen experimentellen Mittelteil zu erschaffen, bei dem alles erlaubt war: Kreischen, Rauschen, rhythmische Brüche – eine Soundcollage, die auch heute noch einzigartig ist.
Der Song war so innovativ, dass viele Radiosender ihre eigene gekürzte Version schnitten, um ihn überhaupt spielen zu können.
„Whole Lotta Love“ war die einzige Single von Led Zeppelin, die es in die Top 10 der US-Charts schaffte – Rang 4 war drin. In Deutschland wurde der Song sogar ein Nummer-1-Hit – und das für fünf Wochen. Schuld daran war sicherlich auch das Video, das der “Beat-Club” zu bieten hatte.
Dabei hatten Led Zeppelin den Song nie in der Kult-Show live gesungen. Genau genommen hatte Regisseur Mike Leckebusch die Band zu einem Zeitpunkt nach Bremen eingeladen, als nur das erste Album von Led Zeppelin auf dem Markt war. “Whole Lotta Love” war der große Hit auf “Led Zeppelin II. Im Archiv von Radio Bremen schlummern noch die beiden Songs – “Babe I’m Gonna Leave You” und “You Shook Me” -, die 1969 aufgezeichnet wurden. Allerdings wurden die beiden Songs erst Jahrzehnte später ausgestrahlt.
Mike Leckebusch und andere Verantwortliche der Sendung waren von den Aufnahmen wenig begeistert. Als die Band, zu der neben Robert Plant Gitarrist Jimmy Page, Bassist John Paul Jones und Drummer John Bonham zählten, allerdings wenig später mit “Whole Lotta Love” einen hitverdächtigen Song veröffentlichten, wurden die vorhandenen Aufnahmen von der Band genutzt, um den “Beat Club”-Fans diesen Hit auch visuell perfekt vorstellen zu können.
Im Januar 1985 schlug die Vergangenheit plötzlich zurück – oder besser: der Blues. Die damals 13-jährige Shirley Dixon hatte sich 1976 die LP “Led Zeppelin II” ausgeliehen und dabei ein eigenartiges Déjà-vu erlebt. „Dad“, sagte sie zu ihrem Vater Willie Dixon, „das hier klingt doch wie dein Song!“ Der Vater hörte genauer hin – und konnte kaum glauben, wie dreist sich “Whole Lotta Love” bei seiner Komposition “You Need Love” bediente.
Willie Dixon, eine zentrale Figur des Chicago Blues, hatte den Song “You Need Love” 1962 für Muddy Waters geschrieben. Das Stück war nie ein Hit, verschwand aber auch nicht völlig in der Versenkung: Die britischen Small Faces griffen es 1966 für ihre eigene Version “You Need Loving” auf – samt Textpassagen und Vibe, ohne allerdings Willie Dixon zu erwähnen. Der protestierte damals nicht.
Als aber Led Zeppelin mit “Whole Lotta Love” Millionen verdienten, zog Willie Dixon schließlich vor Gericht. Das US-Magazin Variety berichtete im Januar 1985 von der Klage, die Dixons Musikverlag Arc Music gegen Robert Plant und Atlantic Records einreichte. Der Vorwurf: “Whole Lotta Love” sei ein Plagiat. Robert Plants Verteidigung: Warum habe man 17 Jahre gewartet, um sich zu beschweren?
Tatsächlich war die Sache komplex. Denn es ging nicht nur um eine Zeile oder zwei Zeilen wie „You need coolin’, baby, I’m not foolin’“ klangen fast identisch zu Dixons Text. Selbst der rhythmische Sprachduktus und die Gesangs-Phrasierung erinnerten an die Muddy-Waters-Aufnahme. Auch die Small Faces hatten sich bedient, was Robert Plant später sogar offen einräumte – er hatte ihre Version als Teenager geliebt.
Der Fall ging nie in ein volles Verfahren, sondern endete 1987 mit einem außergerichtlichen Vergleich. Willie Dixon erhielt eine Entschädigung, wurde fortan als Mitautor geführt – und investierte das Geld später in ein Musikprogramm zur Ausstattung von Schulen mit Instrumenten. Ein unerwartet positiver Nebeneffekt der langen Auseinandersetzung.
Robert Plant und Jimmy Page äußerten sich teils defensiv, teils augenzwinkernd zur Angelegenheit. Jimmy Page sagte einmal: „Wenn man den Text weglässt, ist das Arrangement neu.“ Plant ging noch weiter:
„Pages Riff war Pages Riff. Es war vor allem anderen da. Ich dachte nur: ‚Was könnte ich singen?‘ (…) Wir entschieden, dass es von Zeit und Einfluss so weit entfernt war, dass … na ja, man wird nur erwischt, wenn man erfolgreich ist. So ist das Leben.“
Robert Plant
Ein ungewöhnliches Eingeständnis – und eine seltene Reflexion darüber, wie der Blues als Quelle für ganze Generationen britischer Musiker diente.
Die Geschichte von “Whole Lotta Love” ist also nicht nur eine über explosive Riffs, Studioexperimente und legendäre Soli – sondern auch über kulturelle Aneignung, lange Schatten der Geschichte und einen Blues-Komponisten, der am Ende doch noch Anerkennung fand. Willie Dixon hätte vielleicht nie gedacht, dass ihm ein Song 25 Jahre nach seiner Entstehung noch einmal Gerechtigkeit verschafft – dank seiner Tochter, einem aufmerksamen Ohr und dem festen Glauben an das eigene Werk.
In Konzerten wurde „Whole Lotta Love“ gerne zur Bühne für Improvisation. Die Band flocht regelmäßig andere Songs mit ein – von „I Can’t Quit You Baby“ über „Black Dog“ bis zu „Ramble On“. Jeder Auftritt war anders, die Studioversion kaum reproduzierbar. Kein Wunder: So viel Studiomagie ließ sich live nur mit viel Fantasie umsetzen.
Es war zugleich der letzte Song, den Led Zeppelin je live spielten – bei der Reunion 2007 für das Ahmet Ertegun Tribute Concert, mit Jason Bonham am Schlagzeug.
Zu den frühen Songs der Band muss man wissen, dass das Debüt-Album “Led Zeppelin” innerhalb von zwei Tagen eingespielt wurde. Die Produktionskosten sollen 1.800 Britische Pfund betragen haben. Das Album spielte im Laufe der Zeit fast vier Millionen Pfund ein.
Noch erfolgreicher waren die folgenden Alben “II” mit “Whole Lotta Love” und “III” auf dem der “Immigrant Song” als Single ein Hit wurde.
Die “IV” gilt als das Meisterwerk der Band auf denen dem die Single Hits “Black Dog” und “Rock And Roll” zu finden sind. Auch der heutige Klassiker “Stairway to Heaven” stammt vom IV. Album. Dieser Song war typisch für die Hardrocker der 70er Jahre, eine Ballade, die zu Schmuseklassikern auf den unvergessenen Schul – / School-Beat-Feten in den Turnhallen und Pausenhallen der Schulen wurde.
Live-Auftritte von Led Zeppelin gehörten zum Größten, was die Musik der 70er Jahre zu bieten hatte. Mit ihrem fünften Album “Houses Of The Holy” hatten Led Zeppelin etwas zu bieten, was zuvor keine andere Rockband gewagt hatte. Sie verwendeten Reggae-Elemente, die von den einen euphorisch gefeiert wurde, für andere den Untergang des Abendlands bedeutete.
Heute gilt “Whole Lotta Love” als Inbegriff des Hard Rock – sein Riff wurde mehrfach zum größten aller Zeiten gewählt (u. a. BBC Radio 2, 2014). Und bei aller Kontroverse: Die rohe Energie, die der Song bis heute entfaltet, ist unbestritten. Jack White nannte das Gitarrensolo das „größte aller Zeiten“. Und sogar bei den Olympischen Spielen 2008 wurde der Song – in entschärfter Textfassung – gespielt: von Robert Plant und Leona Lewis im „Vogelnest“ von Peking.
Was als Ausflug in die Bluesvergangenheit begann, wurde zu einem Triumph des Rock. “Whole Lotta Love” ist nicht nur ein Song. Es ist ein Mythos mit Biss – im besten Sinne des Wortes.
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