Musikalische Zeitreise mit dem Pasadena Roof Orchestra
Seit 49 Jahren leben die Musiker des Orchesters die 1920er und 1930er Jahre und planen bereits das große Jubiläum im kommenden Jahr
Noch arbeitet jeder Schmusa-Mitarbeiter von Zuhause aus. Aber immer dann, wenn wir treffen und zusammen sitzen, dann träumen wir von einem gemeinsamen Büro, das mit Erinnerungen an die Begegnungen vollgestopft sein wird.
Da viele Musiker wieder den Weg zurück zur Schallplatte gefunden haben, habe ich mich schon ein wenig auf die schwarzen Scheiben eingeschossen, die ich mir am „Tag X“ in mein Büro hängen werde. Zu meinem heutigen Termin habe ich mich einer Schallplatte bewaffnet, die aus dem Jahr 1976 stammt. Das Pasadena Roof Orchestra tourte zu dieser Zeit bereits knapp 10 Jahre durch ihre Heimat England und durch Deutschland. Die Konzertbesucher liebten die Musik, die sie zu hören bekamen, denn es war eine Zeitreise in die 20er und 30er Jahre.
Kommen wir noch kurz zurück zur mitgebrachten Schallplatte. „The Pasadena Roof Orchestra – On Tour“ heißt das Live-Album, das ein Konzert im legendären „Onkel Pö“ in Hamburg beinhaltet. Dessen Cover kann man aufklappen und eine sensationell geschriebene Darstellung über das auf der Platte zu hörende Konzert lesen. Außerdem fasst der Autor Michael Henkel die Geschichte des Orchesters so wunderbar zusammen, dass ich schon ein wenig neidisch werde.

Den heutigen Orchesterchef und Sänger Duncan Gallaway habe ich vor einigen Jahren bei einem Konzert des Pasadena Roof Orchestras auf Amrum kennengelernt. Als ich ihm von Projekt „Schmusa“ berichtete, war er sofort bereits für ein Interview. Nach einer herzlichen Begrüßung setzen wir uns in den Gemeinschaftsraum, in dem bereits einige Mitglieder des Orchesters saßen. Kaum hatte ich meine Schallplatte aus dem Jahr 1975 ausgepackt, bekam ich von allen Seiten Informationen: „Das schönste Cover der Orchestergeschichte“, hallte es hinter meinem Rücken, „Hast du noch einen Plattenspieler“, wollte ein Kollege wissen, „Darf ich es einmal sehen“, bat ein wohl noch junges Mitglied des Pasadena Roof Orchestra.
Während die Mitglieder sich weiterhin mit dem Mitbringsel beschäftigten und die auf der Rückseite der Schallplatte aufgeführten Musiker durchgingen und Erinnerungen austauschten
„Es ist aber nicht mehr die selbe Besetzung“, informierte mich Duncan Gallaway freundlich und schon waren wir im Gespräch.
Das macht nichts, gibt es noch Kontakt zum Bäckermeister, der das Orchester vor 50 Jahren gegründet hat?“
Duncan: Mehr als das. Wir sind in einem ständigen Kontakt. John Arthy ist immer informiert, was mit seinem Lebenswerk gerade passiert.
Ist richtig, wenn ich dich als Erben des Orchesters bezeichnen würde.
Duncan: Das kann man durchaus so nennen. Offiziell bin ich seit 2012 gemeinsam mit einem Freund in München Manager des Pasadena Roof Orchestras. Ich bin aber, wie du ja deiner Schallplatte entnehmen kannst, noch nicht immer dabei. Meinen ersten Auftritt mit diesem Orchester hatte ich 1989. Dann bin ich bis 1995 festes Mitglied geblieben und wollte anschließend eigene Wege gehen. Zwischendurch habe ich immer wieder mit dem Orchester gesungen. 2002 hat mich David Curtis, der damalige Manager des Orchesters, angerufen, ob ich nicht das Management übernehmen wollte.
Meine erste Antwort war „Nein“. Aber dann habe ich nachgedacht und musste feststellen: Ein Sänger bekommt nur einmal im Leben die Möglichkeit, fester Sänger und Bandleader einer Bigband zu sein und wollte Bedenkzeit. Also habe ich dem Manager geantwortet: „Ich mache den Job für 6 Monate. Bis dahin musst du einen Nachfolger für mich finden.“
Daraus sind jetzt 16 Jahre geworden!
https://www.youtube.com/watch?v=e1cQxg6TXyA
16 Jahre in denen du zwischen Deutschland – du lebst offiziell in Berlin, dein Geschäftspartner in München – und England hin und her reist.
Duncan: In England haben wir ca. 50 Auftritte im Jahr und in Deutschland und vielen anderen Ländern in Europa haben wir auch noch einmal so viele Konzerte. 2019 feiert das Orchester sein 50-jähriges Bestehen. Dafür planen wir eine besondere Tournee.
In England ist das Pasadena Roof Orchestra eine Institution. Größen wie Brian Ferry oder Robbie Williams buchen das Orchester für Aufnahmen oder auch Tourneen, weil ihr den Jazz dieser Zeit lebt. Wie ist es aber hier in Deutschland. Hörst du da von Veranstaltern: Wir haben hier Max Raabe und sein Palast Orchester und brauchen kein Orchester aus England.
https://www.youtube.com/watch?v=oYT0_D4QZd0
Duncan: Nein, wir spielen Ballroom-Jazz der 20er und 30er Jahre. Diese Musik war in England zu Hause. Das Palast Orchester hingegen ist typisch deutsch. Ich schätze das, was Max Raabe mit seinem sehr guten Orchester macht. Mein Vorgänger Robin Mirror kennt Max gut und hat mir verraten, dass Max das Pasadena Roof Orchestra sehr verehrt.
Seid ihr dennoch Konkurrenten?
Duncan: Seit 1969 haben wir ein eigenes Produkt in Europa etabliert, das ein Lebensgefühl des frühen 20. Jahrhunderts aufleben lässt. Es ist wunderbar, dass Max dieses Lebensgefühl dieser Zeit in Deutschland aufleben lässt.
Die Begeisterung der Zuschauer bei beiden Konzerten beweist: Deutschland ist groß genug für Max und uns.
Hat sich in der langen Karriere des Orchesters etwas grundsätzlich geändert?
Duncan: Ja, es gibt keine Nostalgie mehr. In den Anfängen gab es viele Zuschauer, die die Zeiten selbst erlebt haben. Irgendwann ist diese Schicht langsam ausgestorben. In dieser Zeit mussten wir uns der Herausforderung stellen, ein neues Publikum zu finden.
Heute gehören wir zu den Tribute Bands wie die vielen der Beatles oder von Pink Floyd. In dieser Übergangsphase habe ich es oft erlebt, dass junge Besucher nach dem Konzert zu mir gekommen sind und mir verrieten, dass sie nur zum Gefallen ihrer Eltern mit ins Konzert gekommen sind und keine Vorstellung hatten. Viele von diesen kommen jetzt regelmäßig und bringen sogar schon eigene Kinder mit in die Konzerte, um denen zu zeigen, nach welcher Musik ihre Groß- oder Urgroßeltern damals getanzt haben.
Deshalb habe ich meine eigene Theorie aufgestellt: Du musst keine Jazzfan sein, um dir ein Konzert des Pasadena Roof Orchestras anzusehen.
https://www.youtube.com/watch?v=WVrc8Skgpfs
In vielen Fällen verbindet man hier in Deutschland auch Jazz mit einer ganz anderen Musik als eurem Big Band Sound.
Duncan: Nicht immer ist Jazz ein positives Etikett. Wir werden oft zu Jazz-Festivals eingeladen und da ist es so, dass die Jazzfans den Auftritt vom Pasadena Roof Orchestra sehr genießen und auch vorher wissen, auf was sie sich bei uns einlassen. Für diese Besucher ist das, was wir spielen, klassischer Jazz.
Es war aber einmal Tanzmusik. Wäre es nicht eine tolle Idee, wenn ihr eure in diesem Jahr anstehende Jubiläumstournee gemeinsam Tanzschulen durchführen würdet. Wenn ihr diese erreicht, benötigt ihr schon die großen Hallen, weil ihr eine riesige Tanzfläche benötigt.
Duncan: Wenn es ums Tanzen geht, dann werde ich manchmal richtig eifersüchtig. Wir haben in England eine Show, die heißt „Strictly Come Dancing“, da tanzen Prominente mit einem Profitänzer zusammen Standarttänze. Dadurch sind die Standarttänze in England wieder sehr populär geworden. Viele junge Menschen wollen wieder richtig tanzen lernen.
Diese Sendung gibt es in Deutschland auch. Sie heißt „Let’s Dance“ und ist auch sehr populär.
Duncan: Das wäre doch ein Traum für unser 50-jähriges Jubliläum, in einer dieser Shows bei einem Special „20er und 30er Jahre“ aufzutreten und für die richtige Musik zu sorgen.
Ich werde diese Reportage an die Redaktion weiterleiten. Und wer weiß, vielleicht liest ja ein Redakteur von RTL diesen Artikel und kann sich für ein solches Special begeistern. Dann dürfen wir euch aber zu diesem Auftritt begleiten.
Duncan: Dafür werde ich sorgen!
Duncan wirft einen Blick auf die Uhr, gleichzeitig öffnet sich die Tür zu unserem Raum und ein Tourbegleiter fordert alle Musiker auf zur „Generalprobe“. Zügig stehen alle Musiker auf und verlassen den Raum. Duncan nimmt die von mir mitgebrachte LP unter den Armn denn ich hatte ihn gebeten, die LP zu signieren: „Ich habe deinen Auftrag nicht vergessen. Wenn du willst kannst du bei den Proben zuschauen.“
Ich setzte mich in eine der vorderen Reihen und genieße die Probe. Für mich als Laien sind die kleinen Verbesserungen am Sound kaum zu erkennen. Aber nach ein paar Minuten ist jede der Musikergruppe zufrieden. Wenn ich die Augen schließe klingt das Pasadena Roof Orchestra bereits perfekt, genau so wie ich es vor einigen Jahren auf Amrum kennengelernt habe. Öffne ich die Augen fehlt jedoch etwas: Frack und Vatermörder, die Dienstkleidung der Musiker. Diesen lustigen Namen trägt ein steifer, vorne offener, hoher Stehkragen des Herrenoberhemdes. Die lose nach oben abstehenden spitzen Enden des Vatermörders reichen bis über das Kinn.
„Dieses Cover hat einmal einen Preis gewonnen für das beste Album-Cover“, gibt mir Duncan Gallaway nach den Proben mein Mitbringsel von ihm und allen Kollegen signiert zurück. „Wir werden es in Ehren halten“, verspreche ich und freue mich auf das Konzert des Pasadena Roof Orchestras. Die Namen der Mitglieder haben sich verändert, der Spaß an der Tanzmusik zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ist geblieben. Über die kommenden Tourneen und Auftritte werden wir berichten und beim 50-jährigen Jubiläum ganz bestimmt auch wieder im Konzertsaal sitzen.
Für 4 Konzerte kommt das Orchester demnächst wieder nach Deutschland:

| Thu, Apr 12th 2018 | 8:00 pm | Germany | Düsseldorf, | Düsseldorf Savoy Theatre | Online Tickets | |
| Fri, Apr 13th 2018 | 8:00 pm | Germany | Hamburg, | Hamburg Laeiszhalle | Online Tickets | |
| Sat, Apr 14th 2018 | 8:00 pm | Germany | Freren, | Freren Alte Molkerei | Online Tickets | |
| Sun, Apr 15th 2018 | 7:00 pm | Germany | Norden, | Norden Theater Norden | Online Tickets |
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