Ich bin klar dafür. Pro Mieze. Ein Fan der ersten Stunde. Ich war dabei, als sie mit ihren Jungs, mit Mia, um den ersten Plattenvertrag spielte, in einem Kellerclub in Berlin. Da war ich Redakteurin bei radioFritz und sie die Praktikantin, um die ich mich kümmern durfte. „Komm rum, Katty, das wird aufregend!“ Ich kam rum, und es war aufregend zu erleben, wie sich die zarte Mieze in eine Löwin verwandelte – so wie seitdem immer wieder auf ihren Konzerten. Schnurren ist nicht ihrs, Hymnen werden geschmettert, hier und da zeigt sie Krallen und immer, immer umarmt sie herzlich das Rudel vor der Bühne.
Ein Vierteljahrhundert später spielen Andy, Robert und Gunnar immer noch an ihrer Seite – eine beständige, große Liebe. Gemeinsam haben sie die Pandemie überstanden, haben trotz allem Limbo getanzt. Gemeinsam machen sie weiter – also kein Grund zu zucken, weil Mieze nun auch auf Solopfaden wandelt. Katz & Co ist vielmehr eine Zugabe. Die Kirsche auf der Sahne auf dem Eis… Gleich mehrere Kirschen… Ein Fruchtbecher! Denn Mieze ist beim Solotanz nicht allein. Sie setzt auf Duette. Und schwört auf die Kraft weiblicher Netzwerke. „Unser Gesellschaftssystem ist nach wie vor nicht für arbeitende Frauen gemacht und auch nicht für arbeitende Familien,“ sagt sie. All die Frauen, die mit ihr kooperierten, wollten wie sie: UNBEDINGT! „Wir sind aus unserem jeweiligem Familienkosmos aufgetaucht und bei jedem Treffen tief hinein in eine Bubble der Kreativität. Wir waren so neugierig aufeinander, hatten das große Bedürfnis, uns auszutauschen. Das hat sich in mir schon lange geregt, und ich wusste genau, mit wem ich was singen wollte – habe gesucht und gefunden, und dann haben wir uns gemeinsam an den jeweiligen Song gemacht.“
Ein Album in Frauenhand – produziert von Antonia Rug (Novaa) gespickt mit starken Stimmen. Elektronisch, flirrend, ungeschliffen. Gedanken- und Gefühlvoll. PROSECCO entstand mit Miss Platnum alias Ruth Maria Renner. Seit „Lila Wolken“ stehen ihre treibenden Beats für die ultimative Party – und genau mit ihr wollte sich Mieze austauschen, über die Schattenseiten von Party: über Alkoholmissbrauch. „Ich will keinen Zeigefinger heben, ich erzähle schlicht von mir selbst. Solche Blackouts habe ich in der Jugend erlebt… Ruth ist Mutter, ebenso wie ich, ebenso wie Annett Louisan. Ich wollte den Song explizit „Prosecco“ nennen, das Zeug gehört ja vermeintlich zum Mädelsabend dazu, und Annett hat den Chorus sofort freigegeben.“
Für den Titeltrack DAFÜR ODER DAGEGEN hat Mieze Wilhelmine gewonnen. „Ihr Vibe ist für diesen Song perfekt“, schwärmt sie. „Sie kämpft für ihre queere Freiheit, darum sichtbar zu sein. Ich fühle mich eingeladen, mit ihr zu kämpfen, aufzumachen, Gespräche zu führen: Bist du dafür oder dagegen? Nur in Gesprächen finden wir uns.“ Das große WIR. Darum geht es. Auch in BOYS AND GIRLS, wo Mieze gemeinsam mit Amy Warning singt: “This is the middle of the universe, this is the middle of everything and we’re all into.”
Auf meine Frage, ob Katz & Co ein ausgewiesen feministisches Album ist, antwortet Mieze nach kurzem Überlegen: „Dieses Album ist für Gleichberechtigung und gegen Ungerechtigkeit, für Zusammenhalt, gegen Grenzen. Es geht um Menschen, die sich zusammentun, sich gegenseitig stärken und unterstützen, auf dass sie ihre eigene Identität leben können. Es geht um Empowerment – das ist für mich Feminismus. Deshalb ist es kein Widerspruch, dass auch meine Jungs mitmischen. Sie sind Vollblut-Feministen, weil sie Töchter haben und schon so lange mit mir als Frontfrau leben.“
So stammt die Grundidee zu BEI DIR SEIN von Andi, als Partner-Stimme hat Mieze sich Hildegard Knef erwählt. Hilde Knef, Edith Piaf – an die beiden Rolemodels wird an anderer Stelle, in KONFETTI, erinnert: Frauen, die den nachfolgenden Generationen Flügel verliehen haben. Und Gunnar hat an dem Song mitgeschrieben, der definitiv das Zeug zur nächsten Hymne hat: HELLSEHEN. Wenn Mieze und Duettpartnerin Eva Briegel von Juli von der „Fackel im Schacht“ singen, lodert’s auch in mir. Mieze erzählt: „Ich habe letztens ein Interview mit Lars Eidinger gelesen, der mein Gefühl gut in Worte fasst: ,Die Welt geht nicht unter, sie ist schon untergegangen.‘ In den schlimmsten Momenten denke ich genauso, wir rasen als Gesellschaft in diese Einbahnstraße hinein, und es gibt jetzt schon keinen Point of return mehr. Aber aus Angst heraus kann man nicht leben, schon gar nicht, wenn man Familie hat und kleine Kinder. Was tröstet dann? Ich will gar nicht von „Helfen“ sprechen, aber tröstend ist es doch, den Weg gemeinsam zu gehen, gemeinsam nach einem Ausweg Ausschau zu halten und vor allem in der Zeit, die uns Menschheit noch bleibt, Verbundenheit und Liebe zu leben.“
Zugegeben: Man muss nicht hellsehen können, um die nicht ganz so rosige Zukunft der Menschheit zu erahnen. Hell sehen statt Schwarz sehen hilft aber, um damit umgehen zu können. Zusammen. „Ich glaub, ich schaff‘ das nicht allein“ – es ist eine der eindringlichsten Zeilen des Albums! Die „Katz&Co“-Songs wird Mieze im Mia-Programm verankern, ihr Album erscheint parallel zum neuen Mia-Werk, denn auch hier: keine Grenzen weit und breit! „Das ist alles organisch entstanden, es künstlich zu trennen, erscheint mir bemüht. Es gehört alles zusammen – wir gehören zusammen!,“ sagt sie.
So trägt die Mia-Konzertreise den Titel „Hellsehen-Tour“ – und bestenfalls wird sich dort die grenzenlose Kraft der Verbindung entladen. „Da kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Menschen, die vielleicht seit langer Zeit wieder das Gefühl bekommen, dazu zu gehören. So ein Konzert ist eigentlich nur ein Vorwand: um gemeinsam vom Denken ins Fühlen zu kommen, sich zu sehen, sich zu verbinden. Und um gemeinsam Zuversicht zu gewinnen, die wir mit Blick auf die Welt dringend brauchen.“
Katz & Co als Soundtrack für mehr Austausch und Verbundenheit, gegen Abgrenzung und Frontenbildung, gegen pures Schwarzsehen, für mehr Hellsehen. Warum es alleine schaffen müssen, wenn wir viele sind? Ich bin klar dafür.