Herbert Grönemeyer – Herzhaft aus dem neuen Album “Das ist los”

So eine Zeit, die haben wir alle noch nicht erlebt. Auch Herbert Grönemeyer nicht – multiple Krisen treffen auf vielfältige Ängste, auf Sorgen und Unsicherheiten. Wie reagiert man, wie antwortet man auf diese Zeit?

Mit Hoffnung. Mit Mut. Und vor allem mit: Zusammenhalt.

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https://youtu.be/35Ql22lu3aM

Was ist los? Das ist los: Herbert Grönemeyer veröffentlicht mit seinem neuen, seinem sechzehnten Album ein Plädoyer für den Aufbruch, für die Zuversicht. Nicht für eine blinde Zuversicht, nicht für eine naive Hoffnung, dass alles schon irgendwie gut werden wird, nicht für kopfloses Losrennen in ein diffuses Morgen. Sondern für eine, wie er es nennt, differenzierte Zuversicht. „Ich habe mich gefragt: wie geht man mit so einer Zeit um?“, erklärt Herbert Grönemeyer. Wie geht man um mit den Ängsten, der Melancholie, der Besorgnis? „Ich als sturer Optimist glaube, dass da eine positive Form von Demut und Mitgefühl entsteht.“

In dreizehn Songs dekliniert Grönemeyer auf Das ist los diese Überzeugung durch. Songs für eine Gesellschaft, die eben nicht nur vor Angst erzittert und sich verschließt, sondern Mitgefühl lebt, praktisch anpackt und sich gegenseitig unterstützt. „Dazu wollte ich die Musik schreiben“, erzählt er. Der Sound zur offenen, zur hilfsbereiten Gesellschaft, zu einer die zusammenrückt, zusammengerückt ist. Mit allen, die schon da sind und allen, die noch kommen. Die so viel mehr kann, als sie sich selbst vielleicht traut zuzugestehen. Und mit diesem Zusammenhalt an einer gemeinschaftlichen Zukunft arbeitet.

Dreizehn Songs, die von der alltäglichen Trauer und Verzweiflung der letzten drei Jahre zwischen Pandemie, Krieg in Europa, Inflation und Energiekrise erzählen. Aber auch von Klugheit und Innovation, von Frauen, die aufbegehren und für ihre Rechte einstehen und einer Gemeinschaft, die durch Zusammenhalt Stärke beweist. „Ich halte es für elementar zu begreifen, was in einem steckt, was in der Gesellschaft steckt und wozu sie in der Lage ist“, sagt dazu Herbert Grönemeyer, „wir schielen immer auf die Politik, aber als Gesellschaft sind wir die Politik. Wir sind selbst verantwortlich, wir wissen selbst, was solidarisch ist, wir sind reifer als die Politik es ist.“

„‚Tumult‘ habe ich von relativ festem Boden aus geschrieben“, erinnert sich Herbert Grönemeyer. Bei Das ist los war es anders: alles im Fluss, kein festes Fundament, nirgends. Die Welt, in ihren Grundfesten erschüttert. „Aus dieser Unruhe heraus habe ich mich gefragt: was will ich erzählen? Ich male wild darauf los und gehe davon aus, dass mir am Ende mein Bild zeigt, wie ich innerlich ticke.“

Dieser Prozess begann für Das ist los im September 2021. „Ich mache das wie früher am Theater“, erklärt der einstige Theatermacher und lacht, „ich setze ein Premierendatum an dem das Album fertig sein soll, und bis dahin haben wir Zeit, uns auszuprobieren.“ Gemeinsam mit seinem langjährigen Co-Produzenten Alex Silva (u. A. auch Manic Street Preachers, Anohni) mieteten sie sich in einem alten Haus in Umbrien ein, bauten sich dort ein kleines mobiles Studio auf und „stocherten im Dickicht“, wie es Herbert Grönemeyer nennt, auf der Suche nach Melodien, nach einem Einstieg. Erfolgreich – nach einigen Wochen in der italienischen Provinz und weiteren Sessions in den heimischen legendären Hansa-Studios in Berlin-Kreuzberg und in Visby standen über zwanzig Stücke, die ebenso von beatlastiger Musik wie House, Trip

Hop oder Hip Hop geprägt sind, wie von Herbert Grönemeyers Liebe zu Melodien. „Das ist einfach das Spannungsfeld, in dem ich mich befinde, das ich versuche aufzulösen: wie kriege ich Clubbeats mit Melodien zusammen?“ Nach langen Entscheidungsprozessen entschieden sie sich für dreizehn Songs, die im Zusammenspiel eine stimmige Erzählkurve bilden. „Eigentlich mag ich keine langen Alben“, sagt Herbert Grönemeyer von sich, „aber weniger als dreizehn ging nicht!“

Diesen dreizehn Tracks schneiderte er dann Texte auf den Leib: „ich habe bestimmt über hundert Texte geschrieben“, erinnert er sich und schmunzelt, „einige davon sind gar nicht mal so schlecht.“

Gar nicht mal so schlecht könnte man sagen, oder auch: die richtigen Songs zur richtigen Zeit. Da wäre etwa „Tau“, eine Klavierballade über die Melancholie, wenn eigentlich doch alles schön sein sollte, bildreich, zart, liebevoll. Oder Titeltrack „Das ist los“, eine Kollaboration mit Alex Silva, mit treibendem Beat, dynamisch, frech und programmatisch. Da wären die Singles „Angstfrei“ und „Urverlust“, die das Persönliche mit dem Politischen verbinden, eingefasst von musikalischen NDW- und Ambient-Referenzen oder die sphärische Ballade „Der Schlüssel“, die von Flucht erzählt, von Verlust von Heimat und Identität – und vom Ankommen, vielleicht.

Das Gravitationszentrum des Albums bildet aber zweifelsohne „Deine Hand“: „es beschreibt sowohl die Melancholie als auch das Drama in dem wir uns befinden“, meint Herbert Grönemeyer, „und wie wir aus dieser Melancholie einen Aufbruch schaffen.“ Nicht ohne Grund verweist das Musikvideo zu „Deine Hand“ zu der revolutionären Bewegung im Iran, die seit September 2022 im Gange ist: „was dort passiert und wie der Feminismus dort die bestehenden Verhältnisse angreift, das ist ein wahnsinnig mutiger und motivierender Schritt, der Menschen auf der ganzen Welt inspiriert.“

Wie kommen wir aus der Tiefe dieser Zeit, aus der Schwere wieder heraus? Auf die Suche nach der Antwort auf diese Frage führt uns Das ist los durch Gefühlswelten von Hoffnung und Melancholie über Trauer, Gemeinschaft und Leichtigkeit bis hin zur Solidarität, Anteilnahme und vor allem, bis hin zum „unbändigen Mut“, wie Herbert Grönemeyer es sieht, die das Album trägt, die uns zum Aufbruch trägt.

Was ist los? Im Zusammenrücken, in der Gemeinschaft finden wir das, was uns in die Zukunft trägt, das ist los.

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