Graham Nash – A Better Life

NOW – so lautet der knappe und treffende Titel des neuen Studioalbums von UK-Veteran Graham Nash, mit dem er das nächste Kapitel seiner inzwischen 60-jährigen (!) Ausnahmekarriere aufschlägt und zugleich seine jahrzehntelange Mission weiterverfolgt: Damals wie heute geht es ihm darum, das Menschsein durch die Linse eines Nordengländers zu betrachten, diese Beobachtungen in Songs zu übersetzen – und so dem Soundtrack unseres Lebens immer neue Highlights hinzuzufügen.

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https://youtu.be/bTFVzZ4QXbc


Die auf NOW versammelten Songs reihen sich nahtlos ein in den Kanon des Ausnahmemusikers, der bereits zwei Mal in die Songwriters Hall of Fame aufgenommen wurde; in jenes Werk, das vom American Songwriter Magazine als „heute noch genauso signifikant wie vor 50 Jahren“ bezeichnet wurde. Die neuen Kompositionen vereinen alles von politischen Aufrufen („Stand Up“) und knallharter Kritik an MAGA-Slogans à la Trump („Golden Idols“) bis hin zur bissigen Ironie von „Stars and Stripes“. Mit letzterem Stück fordert der Brite ein Ende von Lügen und Fake News, er will einfach nur die Wahrheit zurück – „just tell me the truth, stop lying and stop trying to create division between people all over the world, just tell me the truth. The stars and stripes are waving, but they’re waving goodbye to the truth.“

Einerseits ist da ganz viel Hoffnung, dass wir unseren Kindern womöglich doch „A Better Life“ hinterlassen, andererseits gibt es auch chaotische Rückblicke auf die Ego-Exzesse der Rock & Roll-Welt, was in „I Watched It All Go Down“ aufblitzt (inklusive „reflector shades and telegrams at dawn“). Am anderen Ende des Rock-Spektrums heißt es dann „Buddy’s Back“: eine treibende Hommage und Hymne auf den immensen Einfluss, den sowohl das frühe Vorbild Buddy Holly als auch die Hollies selbst auf Nashs Leben hatten – passenderweise flankiert von Harmoniegesängen von Allan Clarke, dem Schulfreund von Nash und Mitbegründer der Hollies. Eine Hand wäscht die andere: Genau genommen haben Nash und Clarke von diesem Stück, das an jenes Weihnachtsfest im Jahr 1962 erinnert, als sie ihrer gemeinsamen Band den Namen The Hollies gaben, zusätzlich noch eine zweite, quasi gespiegelte Version aufgenommen, bei der Nash wiederum die Harmonien zu Clarkes Leadgesang beisteuert – auch sie wird demnächst erscheinen.

Das Kernstück von NOW ist „In A Dream“: eine extrem atmosphärische Komposition, für die der Brite den Song „Pastoral“ von Alan Price (The Animals) aufgreift und neu interpretiert. Ursprünglich am Klavier für den Film O Lucky Man! (1973) geschrieben, setzt Nash hier nun auf ein Streichquintett, mit dem er eine Live-Aufnahme in Brooklyn gemacht hat. Er habe die Idee, sich ein paar passende Zeilen zu dieser wunderschönen Melodie aus Prices Feder auszudenken, einfach zu verlockend gefunden, „weil mein Leben ja wirklich ein Traum ist“, so Nash. „Seit ich achtzehn bin konnte ich immer ziemlich genau das durchziehen, was ich mit meinem Leben anfangen wollte – was ein unfassbares Glück ist und wofür ich unendlich dankbar bin. Ich wache morgens auf, lebe dieses Leben weiter, checke die Nachrichtenlage in der ganzen Welt, melde mich bei meinen Freunden – und dann schreibe ich über die Dinge, über die ich nun mal schreiben muss. Ich bin ein Songwriter.“

Auch von Herzklopfen, Trennungsschmerz und Seelenverwandtschaft handelt „In A Dream“, einer von vielen Lovesongs des neuen Longplayers, zu denen auch „Follow Your Heart“, „Right Now“, „Love Of Mine“ und „When It Comes To You“ zählen. Ebenfalls in diese Kategorie fällt das schon vor Jahrzehnten mit CSN-Schlagzeuger Joe Vitale geschriebene Country-Stück „Feels Like Home“, das hier nun erstmals veröffentlicht wird. Tatsächlich bezeichnet Nash das neue Album insgesamt als „die persönlichste Platte, die ich je gemacht habe.“

Produziert hat Graham Nash das NOW-Album zusammen mit seinem Keyboarder Todd Caldwell, mit dem er seit nunmehr knapp zehn Jahren zusammenarbeitet. Für die Gitarren zeichnet größtenteils Shane Fontayne mitverantwortlich, noch so ein langjähriger Wegbegleiter, der außerdem auch Nashs Vorgängeralbum This Path Tonight (2016) produziert hatte. Caldwell und Fontayne waren zudem als Bandleader auf dem jüngsten Livealbum Graham Nash: Live zu hören, das schon 2019 aufgenommen und erst 2022 veröffentlicht wurde. Nash & Co. hatten darauf die frühen Albummeilensteine Songs For Beginners und Wild Tales jeweils in voller Länge und in der Originalreihenfolge auf die Bühne gebracht, was dem Briten und seiner Band viel Lob bescherte: „[Er] klingt immer noch genau so, wie man sich ihn wünscht“, hieß es etwa bei Relix.com. „Wenn man bedenkt, dass die beiden Alben, die er hier neu interpretiert, aus den frühen Siebzigern stammen, ist das allein ganz schön bemerkenswert. Mindestens so wichtig oder noch wichtiger ist dabei die Tatsache, dass die 20 Stücke, die er nun also im Jahr 2019 mit kompletter Band neu eingespielt hat, mindestens so ergreifend klingen wie damals, als sie ganz neu waren.“

Ebenfalls Teil der Bandbesetzung des gefeierten Live-Albums, sind auch Gitarrist Thad DeBrock und Schlagzeuger Toby Caldwell auf NOW wieder mit von der Partie; dazu gibt es Unterstützung von Bassist/Schlagzeuger Adam Minkoff. Caldwell arrangierte auch die Streicher für „Theme from Pastoral/In A Dream“, wobei das Quintett auch auf „I Watched It All Go Down“ ein weiteres Mal zu hören ist. Abgemischt wurde das neue Album vom GRAMMY-Gewinner Kevin Killen, fürs Mastering zeichnete der ebenfalls GRAMMY-gekrönte Bob Ludwig verantwortlich.

Genau genommen markiert die Veröffentlichung von NOW im Frühjahr 2023 ein rundes Jubiläum: Der VÖ-Termin fällt ziemlich genau auf den 60. Release-Jahrestag der ersten beiden UK-Hits der Hollies, die mit ihren Coverversionen von „(Ain’t That) Just Like Me“ und „Searchin’“ (im Original von The Coasters) Anfang 1963 zum ersten Mal die britischen Charts erobern konnten. Mitverantwortlich für die British Invasion der Sechziger, konnte Nash als junger Songwriter schon zwischen 1964 und 1968 etliche Hits mit der Band verbuchen, unter anderem „Stop Stop Stop“, „On A Carousel“, „Carrie Anne“, „King Midas In Reverse“ und „Jennifer Eccles“, um nur eine Auswahl zu nennen.

Auch die Klassiker, die aus dem ersten (gerade mal 20 Monate währenden) Zusammenschluss von Crosby, Stills & Nash (& Young) hervorgehen sollten, sind längst Teil unserer DNA geworden – angefangen bei Nashs „Marrakesh Express“, „Pre-Road Downs“ und „Lady of the Island“ vom gleichnamigen Debütalbum (1969) bis hin zu Highlights wie „Teach Your Children“ und „Our House“ (für Joni Mitchell) vom CSNY-Album Déjà Vu von 1970. Was die spätere CSN-Phase angeht, zählen Stücke wie „Just A Song Before I Go“ oder auch „Wasted On The Way“ zu den vielen Meilensteinen aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern.

Auch als Solomusiker startete Graham Nash bereits im Jahr 1971 durch, als er nacheinander die beiden bereits erwähnten Alben Songs For Beginners (inklusive „Chicago/We Can Change the World“, „Military Madness“, „Better Days“, „I Used To Be A King“ oder auch „Simple Man“) und Wild Tales (1974) vom Stapel ließ (mit „Prison Song“, „Oh! Camil“, „You’ll Never Be the Same“). Dazu gingen auch aus der intensiven Kreativpartnerschaft mit David Crosby – der längste CSN-Schulterschluss: ein Team ab den Siebzigern bis in die Nullerjahre – etliche Hits hervor, nicht zuletzt die von Nash geschriebenen Stücke „Southbound Train“ und „Immigration Man“.

Die leidenschaftliche Stimme des großen Allrounders und Aktivisten war jedoch nicht nur auf seinen Alben zu hören, denn Nash erhob sie auch jedes Mal, wenn es um den Frieden oder auch um soziale/ökologische Gerechtigkeit ging. Schon die legendären No Nukes/Musicians United For Safe Energy (MUSE)-Konzerte, die er gemeinsam mit Jackson Browne und Bonnie Raitt im Jahr 1979 organisierte, setzten einen vollkommen neuen Standard für derartige Benefiz-Events. 2010 ernannte ihn Queen Elizabeth II. zum „Officer of the Order of the British Empire“ (OBE).

Der passende Titel Wild Tales vom frühen Solomeilenstein zierte im September 2013 auch das Cover seiner mit Spannung erwarteten Autobiografie – ein fesselnder, schonungslos aufrichtiger Blick zurück auf diese einzigartige Karriere und die Entstehungsgeschichte jener Songs, die eine ganze Generation prägen sollten. Durch diese Veröffentlichung, ein Jahr später auch schon als Taschenbuchedition erhältlich, sollte sein Name auch erstmals auf der Bestsellerliste der New York Times landen.

Seit seinem 10. Lebensjahr ein begeisterter Fotograf, ist Graham Nash längst auch mit seinen visuellen Arbeiten in großen Galerien und Museen vertreten. Zu seinen vielen Auszeichnungen zählen etwa eine „Arts & Technology Medal“ und die Ehrendoktorwürde vom New York Institute of Technology sowie der erste jemals vergebene Hollywood Visionary Cyber Award, der ihm im Rahmen des Hollywood Film Festivals verliehen wurde. Einer seiner allerersten Digitaldrucke – Nashs Porträt von David Crosby aus dem Jahr 1969 – und der Original-Digitaldrucker IRIS 3047 (von 1989) seines Unternehmens Nash Editions befinden sich heute im Nationalmuseum für US-amerikanische Geschichte (in der Smithsonian Institution in Washington, D.C.). Während Nash Editions bis heute zu den führenden Fine-Art-Printstudios der Welt gehört, erschien zuletzt eine Auswahl seiner eigenen Bilder in dem Buch A Life in Focus: The Photography of Graham Nash, das im November 2021 bei Insight Editions veröffentlicht wurde.

Auch 60 Jahre nach den ersten Hits mit den Hollies ist Nashs Engagement und seine Liebe zur künstlerischen Arbeit unerschütterlich – und sein Motto ist dabei dasselbe wie eh und je: „Dass die Liebe besser ist als Hass, dass Frieden besser ist als Krieg, dass wir uns für unsere Mitmenschen einsetzen müssen, weil wir nun mal nur uns haben auf diesem Planeten – all diese Dinge, für die wir schon damals eingestanden haben, die sind noch immer absolut wahr. Ich muss einfach wissen, dass ich etwas in die Welt gebracht habe, das positiv ist – und nicht negativ.“

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