Interview mit „Raumpatroille Orion“-Komponist Peter Thomas

Raumpatroille Orion“-Komponist Peter Thomas

im Interview zum 92. Geburtstag

Manchmal sagen Zahlen mehr als viele Worte. Das gilt in jedem Falle für den Komponisten Peter Thomas. Er hat nicht nur die Karrieren von Esther & Abi Ofarim und Donna Summer ins Rollen gebracht, er war vor allen Dingen als Filmkomponist mehr als nur gefragt: Etwa 100 Spielfilme und 600 Fernsehfilme und -episoden sprechen eine klare Sprache.

Apropos klare Worte: Peter Thomas ist ganz gewiss ein Mann klarer Worte, der in seinem Alter ausgesprochen fit ist und statt Blicke in die Vergangenheit, im jetzt lebt und nach wie vor neue Ziele anstrebt. Lest selbst wie lebenswert das Leben mit 92 Jahren sein kann.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Thomas!

Am heutigen 1. Dezember feiert er seinen 92. Geburtstag mit seiner Familie und nimmt sich (ein paar Tage zuvor) Zeit für ein Interview mit einem Magazin, das 92 Jahre nach ihm das Licht der Welt erblicken wird.

Guten Tag Herr Thomas, danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben und wir Sie in Ihrer neuen Heimat telefonisch erreichen. Sie haben es sich hoffentlich für unser Gespräch ein wenig gemütlich gemacht.

Peter Thomas: Ich sitze in meinem Haus in Lugano und blicke auf den See. Ich bin gerüstet und spreche gerne mit jemandem aus der Stadt der Stadtmusikanten, die soweit ich weiß noch kein Schallplatte oder CD herausgebracht haben.

Das wäre mir auch neu, es gibt aber einige Tonträger über die Bremer Stadtmusikanten.
Als wir uns per Mail verabredet haben, haben Sie mir auf meine Anfrage einen schönen Spruch als mit auf den Weg gegeben: „Heute ist morgen schon gestern“.

PT: Jeden Tag, wenn ich aufstehe bin ich dankbar, dass ich lebe… und ich das Leben leben kann. Es ist so, dass das Leben leben ist.

Muss man etwas dafür tun, um geistig so fit zu sein wie Sie?

PT: Man muss ein wenig verrückt sein. Man muss sich vieles anhören, aber sein eigenes Ding machen. Jeder hat seinen strengsten Kritiker in sich selbst. Auf den sollte man unbedingt hören. Das ist schwierig.

Als Kind muss man auf die Eltern hören. Und wenn man von denen genug gelernt hat, sollte man auf das hören, was einem die innere Stimme sagt. Diese innere Stimme hat jeder. Mir sagt die innere Stimme, mache und lebe Musik. Das tue ich, obwohl heute vieles als Musik bezeichnet wird, das wirklich keine Musik mehr ist.

Oder wie ihr ehemaliger Kollege James Last es immer gern ausdrückte, es gibt nur gute und schlechte Musik…

PT: Da hatte er recht. Denn Musik hat in erster Linie schon etwas mit einer Melodie zu tun. Das ist heute nicht mehr unbedingt gegeben.

Ändert es sich nicht gerade wieder. Die Vielzahl an Singer-Songwritern wie Ed Sheran, Sam Smith oder in Deutschland Johanne Oerding sind doch ein gutes Beispiel. Kennen Sie Ed Sheran?

PT: Natürlich! Es gibt Melodien unvermindert weiter. Diese lehnen sich immer an die Volksmusik aus allen Ländern an, die sich mit vier Harmonien durch die Welt singt. An meinem Geburtstag beginnt immer auch die Weihnachtszeit: Ein Stück wie „Stille Nacht, heilige Nacht“, das besteht eben aus viel Harmonien. So etwas muss man erst einmal nachmachen. Es ist schon ein paar Jahre alt!

Welche Bedeutung hat Musik in ihrem Leben heute?

PT: Heute wurde ich gerade von einem jungen Musiker – ich bin immer mit jungen Musikern zusammen – gefragt, ob ich schon einmal einen Walzer dirigiert habe. Das konnte ich bestätigen. Für den Film „Der Kongress tanzt“ habe ich die Musik komponiert. Außerdem musste ich für diesen Film, in dem Curt Jürgens die Hauptrolle gespielt hat, „Wiener Blut“ dirigieren. Diese Aufnahmen fanden in Berlin im Meistersaal mit den Philharmonikern statt und da reicht schon die Erinnerung an dieses Zusammenspiel, dass mir das Herz aufgeht. Wenn man ein solches Orchester mit allein 60 Streichern dirigiert, spürt man eine Urkraft der Musik, die es immer geben wird, in hundert Jahren und noch viel später.

Sie musizieren also auch heute noch täglich

PT: Ob sie zusammen musizieren oder Musik mit anderen zusammen hören, es geschieht das selbe, es bringt einen näher. Es macht einfach Spaß!

Ich habe genau zugehört, als Sie mir Ihr Musikmagazin näher gebracht haben. Das, was Sie erreichen können, wenn sie für Musikliebhaber über verschiedene Musik schreiben, ist Toleranz vermitteln. Es wäre ein hohes und erstrebenswertes Ziel, wenn unterschiedliche Generationen mit unterschiedlichem Geschmack, sich gegenseitig anerkennen und akzeptieren.

Ich habe da selbst manchmal Schwierigkeiten. Wie sieht es bei Ihnen aus?

PT: Ich habe zwei Enkelsöhne. Der eine studiert Psychologie und ist nebenbei ein angesagter DJ. Der nimmt jetzt Opas Musik und verunziert sie. Ich erkenne dann manche meiner Lieder nicht wieder. Aber ich liebe diesen Jungen und er macht mir meine Musiken ins heute oder auch ins morgen.

Mit ihm zusammen habe ich gerade eine Oper gemacht aus dem Jahre 2066, dem Jahr des Weltuntergangs. Das ganze ist so verrückt geworden, aber ich bin zufrieden. Ob es andere auch sind ist mir scheißegal, ich mache das nicht für Geld. Ich mache es für mich.

Es ist ja nicht immer einfach, neue oder auch ältere Musikrichtungen zu mögen. Würden Sie mir recht geben, wenn ich behaupte, dass junge Musik immer etwas mit Tanzen zu tun hat.

PT: Wussten Sie, dass der Walzer einmal verboten war, weil man sich beim Tanz zu nahe gekommen ist. Natürlich ist Musik bei der man sich näher kommen kann immer interessant, genau wie die Musik, zu der ich mich bewegen kann, dass andere auf mich aufmerksam werden. Das ist so seitdem es Musik gibt. Sie merken, ich gebe Ihnen recht.

Ich selbst habe sogar einmal tanzen gelernt, obwohl es keine Musiker gibt, der tanzen kann. Ich kann es trotz Tanzschule auch nicht.

Einige tanzen, andere machen Musik. Es ist doch eine perfekt Kombination. Sie selbst haben die Musik mit in die Wiege gelegt bekommen.

PT: Mein einer Großvater war der Kapellmeister des 4. Garderegiments, das waren die, die vor dem Brandenburger Tor immer zur Wache aufgezogen sind. Das war Grund genug, dass ich früh mit Musik in Berührung kam und auch selbst zu musizieren anfing.

Die Musik half mir wenig als ich selber Soldat wurde und sogar von den Amerikanern angeschossen wurde. Diese Amerikaner allerdings mit ihrer Musik haben mich unheimlich beeinflusst. Ich würde sagen von ihnen kommen 90 Prozent der musikalischen Einflüsse.

Sprechen Sie jetzt schon vom Rock And Roll?

PT: Nein, ich meine die großen Big Band Orchester, die sich zusammen taten, um schöne Musik zu machen. Bei uns wurden die großen Orchester nur im Frack gesehen, machten ein ernstes Gesicht und spielten klassische Musik.

Ich ziehe meinen Hut vor der klassischen Musik, aber diese Orchester, die gibt es bei uns gar nicht mehr. Beim Blick zurück, traten die Radios in die Welt und sie alle hatten ihre Orchester. Da waren Tanzorchester, Symphonieorchester und Unterhaltungsorchester. Das ist doch ein schönes Wort und sagt genau das, wozu Musik da sein sollte.

Musik kann doch mehr als nur unterhalten…

PT: Sich unterhalten ist eine Kunst, die in der heutigen Zeit verloren gehen kann. Immer weniger Menschen können sich miteinander unterhalten. Es ist einfach, sich unterhalten zu lassen und das ist nicht lebenswert.

Musik ist viel mehr als Unterhaltung. Von der Musik kann man auch lernen: Nehmen wir das große Orchester von dem wir gerade gesprochen haben. Da ist es nicht derjenige der dirigiert, der ein großes Orchester ausmacht. Nein, es ist das miteinander der Musiker. Jeder von ihnen muss das spielen, was in den Noten steht. Aber gleichzeitig müssen sie aufeinander hören. Wenn sie das nicht täten, dann spielt der zu laut und der zu leise, das gibt ein heilloses durcheinander.

Man muss aufeinander hören, wenn man miteinander spielen will. Das gilt auch für das Leben.

Das heißt der mit der Pauke in der Hand muss zwingend auch auf die Bedürfnisse desjenigen hören, der die leise Flöte spielt…

PT: Sonst gibt es Disharmonien. Im Leben wie in der Musik.

Dazu kommt, dass uns durch die Synthesizer vorgegaukelt wird, dass dies eine Geige ist und das ein Klavier. Aber alles kommt aus dem Computer, weil es billiger ist und das aufeinander hören ausgeschaltet wird. Es wird versucht, uns zu überzeugen, dass ein Eunuch „der Obervögler“ in einem Bordell ist.

Wenn ich im Computer ein ganzes Orchester haben kann, führt das auch zu Einsamkeit. Ich selbst bin nur Musikkonsument. Mich hat es noch in die Stadt gezogen, um im Plattenladen etwas Neues zu finden. Da gab es auch den einen oder anderen, mit dem ich mich getroffen und ausgetauscht habe. Heute gibt es ein Überangebot im Internet. Spotify, youtube & Co werben mit einer Auswahl von mehreren Millionen Titeln. Das führt dazu, dass es auch nur noch wenig miteinander gibt, also auch Einsamkeit.

PT: Eine Single kostete damals das Taschengeld einer Woche. Dieses Lied hatte einen Wert und heute ist das „Klau-Loaden“, nicht das „Down-Loaden“ das Motto der Stunde. Heute bekommen Sie ohne einen Pfennig Geld zu bezahlen, das Lied das Sie wollen. Aber Sie wissen es nicht annähernd so zu schätzen und zu lieben wie derjenige, der dafür sein komplettes Taschengeld auf den Tisch legen musste.

Keiner auf der Welt steht auf und wehrt sich. Es gibt einen § 109 im Urheberschutzgesetz, da steht drin: Diebstahl geistigen Eigentums wird bestraft mit bis zu 2 Jahren.

(Ich spüre, dass dieses Thema den Komponisten und Musiker wirklich in Rage bringt und werfe ein) Dann reichen unsere Gefängnisse bald nicht mehr aus…

PT: Und ein Stückchen tiefer steht dann … so es auf Antrag verfolgt wird.

Nun gehe ich also zur Polizei und sage: „Mir wurde der Jerry Cotton-Marsch“ geklaut. Da schütteln dann alle auf der Woche mit dem Kopf und schauen mich entsetzt an.

Zu diesem Thema stehe ich mit dem Fernsehsender Arte in Verbindung, um es den Menschen klar zu machen, dass es keinen legalen Diebstahl gibt. Diebstahl ist und bleibt ein Verbrechen.

Wenn früher jemand anderem eine Melodie geklaut hat, dann ging man vor Gericht und wenn festgestellt wirde, dass es der Wahrheit entspricht, dann wurde der Dieb verurteilt.

Heute ist es keinem mehr klar, dass es Diebstahl ist. Ich kann schließlich auch bei Rot über die Ampel fahren, wenn ich nicht erwischt werden. Dabei bin ich mir aber meiner Schuld bewusst. Und wenn ich erwischt werde, nehme ich die Strafe an. Bei der Musik sind sich die wenigsten bewusst, dass sie gerade einen Diebstahl begehen.

Weil die Schallplattenfirmen heute keine Schallplattenfirmen mehr sind, die aufwendige und teure Tonträger pressen müssen, sondern nur ihren kommerziellen Erfolg sehen, entstehen lieblose Produktionen… einmal „hackevoll“, einmal „atemlos“. Die Frau Fischer ist eine bessere Turnerin als Sängerin. Aber der Erfolg gibt diesem Projekt recht.

Wo wir gerade das Thema Stimmen zu fassen haben. Sie haben in Ihrer Karriere eine Esther Ofarim entdeckt.

PT: Das war nicht ich, das war meine Frau. Da war auch nicht nur sie, sondern noch dieser Mann Avraham. Das einzige, was der sagen konnte war „Wie geht’s?“. Sie hatte einen zweiten Platz errungen beim Grand Prix in London. Meine Frau hat mir gesagt, sie hat eine schönen Stimme. Dann habe ich zugestimmt, etwas von ihr zu produzieren. Das Ergebnis war „Schatz geh’ nach Haus…“

Ich habe gerne Musiker um mich herum. Wenn wir fertig sind mache ich dann das Klavier zu und er kann gehen. Man hat keine private Verbindung. Aber ich habe mich daran gewöhnt und gemerkt, dass sie ganz schön singt. Dann habe ich sie und ihren Mann Avraham nach Frankreich gebracht. Dort haben wir zusammen aufgenommen. Der ganze Weg war nicht gerade leicht. Ich hatte es schon ziemlich schwer, sie unterzubringen.

Nach zwei Jahren hatte ich dann aber einfach die Schnauze voll. Da habe ich denen gesagt, wir nehmen morgen um zehn Uhr auf. Ich meinte natürlich morgens und die kamen am Abend um zehn. Wenn Künstler zwölf Stunden zu spät kommen, dann ist das nicht professionell.

Damals baute man gemeinsam mit einer Plattenfirma einen Künstler auf. Da gab es einen Zweijahres-Vertrag, der einem viele Möglichkeiten bot. Doch diese müssen auch seitens des Künstlers genutzt werden.

Aber das Leben geht weiter. Solange es den Kammerton A noch gibt habe ich Spaß an der Musik. Auch wenn sie heute gern und ohne Strafe geklaut wird.

Wollen wir dieses Thema noch einmal aufgreifen?

PT: Ich werde beklaut. Das ist ein Tatsache.

Heute wird alles gescannt und dann wird nachgesehen, ob es wiederverwendet wird. Das gilt für Autoren aller Art. Warum nicht auch für Musiker, habe ich mich oft gefragt und habe meine Musik scannen lassen und auf Kopien kontrolliert. Dabei sind 50 Millionen Verstöße herausgekommen. Mal ist sie frei downloadbar, mal wird sie für neue Produktionen, sogenannte Samples, einfach verwendet.

Es gibt keine Noten mehr und somit gibt es auch keinen Beweis dafür, dass die Musik von einem ist. Ich verlange von europäischen Regierungen, dass sie den Diebstahl von geistigem Eigentum zum „Offizialdelikt“ erklärt. Dabei kämpfe ich nicht für mich, ich bin versorgt, sondern für alle jungen Musiker, die auch ein Recht auf eine Existenz haben.

Nur, wenn guten Musikern die finanzielle Möglichkeit geschaffen wird, etwas aufzubauen, kann auch etwas fruchtbares dabei herauskommen. Verstehen Sie, ich will nicht jammern, sondern Gerechtigkeit. Jeder, der bei mir etwas am Haus repariert, will dafür bezahlt werden und bekommt dafür bezahlt. Das ist selbstverständlich. Aber wie ist das bei geistigem Eigentum?

Die Musik braucht ein Sprachrohr, jemanden der es mit dem Megaphon in die Welt hinaus brüllt bis die Regierungen endlich darauf aufmerksam werden und etwas unternehmen. Dafür möchte ich Ihr Magazin gerne nutzen.

Dann möchte ich Ihnen anbieten, Ihre Meinung zu sagen. Nutzen Sie „schmusa“, um Ihre Gedanken heraus zu posaunen in Welt. Ich habe Ihnen sehr gerne zugehört und bin mir sicher, dass es viele Menschen – und nicht nur Musiker – gibt, die sich mit Ihren Gedanken gerne beschäftigen werden. Wenn Sie möchten, führen wir das Gespräch nach Ihrem Geburtstag weiter. Ich will immer noch wissen, welche Verbindungen Sie zu Jerry Cotton, der Raumpatrouille oder auch zur amerikanischen Filmindustrie hatten oder vielleicht sogar noch haben.

PT: Dann habe wir demnächst wieder eine Verabredung. Gern auch mal mit einem Blick zurück, aber immer auch mit einem Blick nach vorn.

Ich freue mich drauf, vielen Dank und eine schöne Geburtstagsfeier.

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