Wer altmodisch vorgeht, um seine Wertschätzung für einen Menschen auszudrücken, kennt die Situation. Du hockst vor der Holzkiste mit den gesammelten Postkarten, die alle noch beschriftet werden können und blätterst durch die Motive. Süße Katze? Sicher, aber das Internet ist voll davon. Pergament-Optik mit japanischen Schriftzeichen? Edel, aber du weißt nicht, wofür sie stehen. Ein Engel von Paul Klee? Schon besser, aber auch angeberisch. Es geht hier nicht um dich, es geht um dein Gegenüber. Diesen einen Menschen, der dir alles bedeutet, der dein Leben begleitet hat, dem du das sagen willst. Es geht um deinen All-Time-Favourite.
Bosse hat die Karte gefunden und mit den schönsten Worten  beschriftet, die sich auf den knappen Raum schreiben lassen. Keine  pathetischen Behauptungen, sondern Szenen, Bilder, Storytelling. „Wir  hören Leaving on a Jet Plane“, steigt der Song ein, „Vier Uhr morgens,  konnte eh nicht pennen / Dein Taxi vor der Haustür / Oh meine Augen  brennen / Letzter Koffer im Hausflur / Pass auf dich auf, ok, mach’s  gut.“ Zack! Sofort ist alles da. Ein Stückchen Leben, wie wir es alle  schon mal kennengelernt haben. Die Augen brennen mit beim Hören und man  spürt die feuchte Morgenluft, die selbst im Sommer klamm nach den Beinen  greift. „Halt mich noch mal fest und dann geh.“ Abschied nehmen, schon  jetzt vermissen, allein wieder die Stufen hinaufklettern. Niemand sonst  erzählt so im deutschprachigen Pop.  
Die Geschichte dieser Zuneigung, in der „ein Hochhausplakat von dir“  im Herzen des Erzählers hängt, hätte Bosse als langsame Pianoballade  erzählen können. Oder als Revival des knalligen Emo-Drama-Rocks der  alten Tage von „Guten Morgen, Spinner“. Stattdessen startet die zweite  Single aus „Übers Träumen“ ohne Umschweife direkt hinein in ihren  tanzbaren Takt. Als hätte der Beat schon ewig gespielt und der Sänger  stößt halt jetzt dazu. Der Refrain schließlich beamt uns aus dem Club  oder dem Festivalzelt, in dem alle glücklich hüpfen, mitten hinein in  eine Indie-Rock-Garage, wo schrammelige Gitarren und ein schmutziges  Schlagzeug die griffige Hookline so vor sich hertreiben, als hätten sich  Wanda und Circa Waves als Backingband hinter den Sänger geschlichen.  
Ist alles vorbei, spielt man’s noch mal, um nachzuprüfen, ob da  wirklich zwischendrin ein Satz gefallen ist, der beschreibt, dass die  Zeit seelisch anders vergeht als auf dem Kalender. „Und es ist immer  erst Vergangenheit / Wenn‘s nicht mehr wehtut.“ Da steht er. Auf der  Karte. Und das ist dermaßen genial, dass egal ist, ob vorne die Katze,  die Schriftzeichen oder der Engel von Paul Klee zu sehen sind.   
Credit: Oliver Uschmann 
