Dana mit “All Kinds Of Everything” in den Song-Geschichten 85

Dana heißt die Grand Prix Siegerin des Jahres 1970. Ihren Hit “All Kinds Of Everything” werden bestimmt noch viele im Ohr haben. In unserer Song-Geschichte geht es um einen unvergessenen Fernsehabend …

Dana – All Kinds Of Everything

14. März 1970, “All Kinds Of Everything” steigt in die Irischen Charts ein.
21. März 1970, die Siegerin vom Grand Prix in Amsterdam heißt Dana. Am selben Tag steht der Hit auf Platz 1 in Irland.
4. April 1970, der Song steigt in die Britischen Charts und Niederländischen Charts ein.
12. April 1970, der Song klettert auf Platz 1 der UK-Charts.
14. April 1970, der Siegertitel ist überall in Europa auf dem Weg an die Chartspitze.
1. Mai 1970, “All Kinds Of Everything” steigt in die Deutschen Charts ein.
5. Juni 1970, nach 9 Wochen auf Platz 1 in Irland wird “All Kinds Of Everything” von Norman Greenbaum mit “Spirit In The Sky” verdrängt.
30. August 1950, die irische Sängerin Dana Rosemary Scallon Geborene Brown kommt in London, England, zur Welt.

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https://youtu.be/Br_yoYp3v7I


Seit Jahren ist es ein großes Thema in der Familie: Anschaffung eines Farbfernsehers. Dabei ist der vorhandene Schwarz-Weiß-Fernseher gerade fünf Jahre alt und sollte doch eine Anschaffung für eine kleine Ewigkeit sein. Aber ein Traum vereinte unseren Vater, meinen Bruder und mich, die Fußball-Weltmeisterschaft in Mexiko in Farbe sehen zu können. Wir wollten mehr vom Spiel mitbekommen und nicht die mehr die meiste Zeit damit verbringen, zu erkennen, welche Mannschaft nun gerade im Ballbesitz ist. Die Idealvorstellung war, dass man die Spieler sofort erkennen konnte, den Beckenbauer, Gerd Müller, Karl-Heinz Schnellinger und natürlich Uwe Seeler.

Soweit mein Bruder und ich es mitbekommen haben, hat Herr Raschke, das ist der Inhaber des modernen Elektrogeschäfts, das zwischen der alten Ladenzeile mit dem Schlachter, dem Geschäft mit Nähwaren und dem Eisenwarengeschäft gleich gegenüber der ESSO-Tankstelle aufgemacht hatte, meinen Eltern schon einen Abnehmer für den alten Fernseher organisiert. Für den neuen Fernsehapparat mussten sie dennoch  2.200 DM drauf bezahlen.

Neu mit einem Extra-Furnier kostete das Gerät etwas mehr als 2.500 DM. Da wurde auch nicht gehandelt. Da gab es auch kein besonderes Angebot in der Stadt und selbst in Hamburg hätte man das Gerät nicht günstiger kaufen können. Das waren Festpreise. Übrigens kostete ein neuer VW-Käfer zu dieser Zeit in der einfachen Ausstattung 4.525 DM.

Drei Jahre zuvor hatten meine Eltern im Familienrat mit uns besprochen, dass wir auf einen Farbfernseher sparen werden und dafür auf unseren Sommerurlaub verzichten müssten. Ehrlich gestanden, seit wir im eigenen Haus wohnten und der Fußballplatz nur 3 Minuten entfernt war, war der Urlaub Zuhause sowie das Beste. Besonders wenn wir uns mit den Nachbarn einen Strandkorb fürs ganze Jahr gemietet hatten, ging es fast jede freie Minute nach Travemünde an den Strand. Was sollten wir da in den Bergen.

Gestern, am Freitag Nachmittag bekamen wir ein Testgerät ins Wohnzimmer gestellt. Der von meinen Eltern bestellte Apparat war eine Sonderanfertigung, da er vom Holz her zu den anderen Möbeln passen musste. Rüster hieß das Furnier, so nennt sich das helle Holz mit dem leichten Rotstich, das aus der Ulme gewonnen wird. Zum ersten Mal konnten wir es gar nicht abwarten, dass die von uns so heiß geliebte Serie „Pat und Patachon“ zu Ende war, denn dann endlich kam die erste Farbsendung des Tages: „Luftsprünge“, eine Serie, die ich vorher und auch nachher nie wieder gesehen habe. Im Normalfall stand ich zu dieser Zeit auf dem Fußballplatz. Vom Inhalt der Folge ist mir nichts in Erinnerung geblieben. Dafür haben sich unsere begeisterten Gesichter für alle Zeit im Gedächtnis eingemeißelt. Bewegte Bilder in Farbe, genau wie im Kino.

Anstandslos gingen wir an diesem Abend früh ins Bett, denn wir wollten lieber noch darüber reden, wie schön das Fernsehen in Farbe ist. Es war wirklich ein unvergleichliches Erlebnis gegenüber allem, was wir vorher je gesehen hatten. Der morgige Tag war auch schon bis ins letzte Detail durchgeplant, zumindest was das Fernsehen anging und die Gäste, die wir erwarteten: Oma wollte unbedingt den „Blauen Bock“ sehen, die „Sportschau“ war noch gar nicht in Farbe, also kamen die Freunde und Nachbarn erst alle zur „ZDF-Hitparade“. Dort siegte Ray Miller mit “Caroline”. Und nachdem die Erwachsenen einen Mehrteiler gesehen hatten, hieß es ab 22.00 Uhr „Grand Prix de la Chanson“.

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https://www.youtube.com/watch?v=p_p83S9xtZ4


Morgens wurde das Kalenderblatt in der Küche abgerissen und es erschien der 21. März. Das Jahr 1970 stand natürlich nicht drauf, es hilft allen Lesern aber zu erfahren, in welchen Jahr wir uns gerade befinden. Es war schon mein 4. Grand Prix, Beim ersten Mal habe ich ziemlich gekämpft, fand die Siegerin Sandie Shaw allerdings sensationell, so dass ich mich wach gehalten habe. Sie ist auch ein wenig Mitschuld, dass ich knapp ein Jahr später anfing „professionell“ Schallplatten zu sammeln.

1968 war ein wenig enttäuschend, denn weder Cliff Richard noch Wencke Myhre hatten gewonnen, sondern der spanische Beitrag mit Massiel. Er hieß „La la la“. „Congratulations“ und „Ein Hoch der Liebe“ schafften es aber in meine Schallplattensammlung, der Siegertitel jedoch nicht. 1969 gab es gleich vier Siegertitel, von denen mich nur Lulu mit „Boom Bang A Bang“ einigermaßen überzeugen konnte.

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https://youtu.be/_xJcE9tnY6E
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https://www.youtube.com/watch?v=SnDbsHRCkVc
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https://www.youtube.com/watch?v=LAexSMVOK5o


Der Sieger am heutigen Abend stand für mich schon vorher fest. Mary Hopkin startete für Großbritannien. Das war eine von der Plattenfirma „Apple“, der neuen Plattenfirma von den Beatles mit dem genialen aufgeschnittenen Apfel. Mit „Those Were The Days“ hatte Mary Hopkin schon eine Nummer 1 in England und Deutschland landen können. Außerdem hatte Paul McCartney schon einen Titel für sie geschrieben: „Goodbye“ war einfach nur super. Und der Grand Prix-Titel konnte sich auch hören lassen „Knock Knock Who’s There“. Wer wollte gegen so eine Sängerin ankommen. Vielleicht der Typ, der für Luxemburg an den Start ging, schließlich hatte David Alexandre Winter mit „Oh Lady Mary“ bereits einen großen Hit zu verzeichnen.


Aber es sollte der Tag der großen Irrtümer werden…

Die Nachbarn rückten alle schon zum „Blauen Bock“ an, wovon Oma gar nicht begeistert war. Da war ihr viel zu viel Trubel. Sie wollte ihre Musik hören. Alle hatten etwas mitgebracht, so dass die Frauen während der Farbsendung eine Kaffeetafel aufbauten. Als dann zum Kaffee an den Esstisch, der mit an diesem Tag durch unsere Tischtennisplatte ersetzt wurde, gebeten wurde, verließen alle nur murrend den Platz vor dem Farbfernseher. Dazu musste während der geliebten Sendung von Oma das halbe Wohnzimmer umgestellt werden.

Groß war dann die Enttäuschung als wir den männlichen Gästen verrieten, dass „die Sportschau“ nicht in Farbe ausgestrahlt wurde. Der Ärger wurde mit dem Versprechen, für Oma war es wohl eher eine Drohung, die „Dann kommen wir alle zur Weltmeisterschaft wieder zusammen“ lautete, aus der Welt geräumt.

Dann endlich kam Dieter-Thomas Heck mit der ZDF-Hitparade. Natürlich hatte ich auch da einen Favoriten, nämlich Chris Roberts, den ich wenige Tage vorher mit einem Block bewaffnet in einem Schallplattengeschäft während einer Autogrammstunde angesprochen habe, ob er Zeit für ein Interview hätte. Davon irgendwann mehr bei einem anderen „Song der Woche“. Gewonnen hat übrigens Ray Miller mit „Caroline“.

Danach sind wir dann mit 14 Kindern in unser Zimmer abgezogen, die Großen wollten einen Mehrteiler sehen. So haben wir nebenan über die Hitparade diskutiert und fachmännisch die Bravo hervorgeholt, um zu sehen, wer überhaupt Chancen haben könnte. Klarer Favorit wie oben beschrieben war die Waliserin Mary Hopkin.

Die Zeit verging wie im Flug. Ein volles Haus, gutgelaunte Menschen, tolles Fernsehen und um 22.00 Uhr waren wir dann alle in Amsterdam, der Grand Prix lief. Welch eine Kulisse. Da waren riesige silberne Kugeln, die spiegelten wie ein richtiger Spiegel. Da war es auch egal, dass der holländische Beitrag ziemlich langweilig war. Beim Schweizer Beitrag waren sich die ersten sicher, der könnte gewinnen.

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https://www.youtube.com/watch?v=X0ItTfqLk1I


Mit der Startnummer 7, so hätte es zumindest Dieter-Thomas Heck angekündigt, ging nun unsere Favoritin ins Rennen. Keine Frage, sie muss gewinnen, waren sich zumindest die jüngeren Zuschauer einig, die auf 10 geschrumpft waren, da zwei bereits bei den heißen Diskussionen eingeschlafen sind und zwei weitere nur ein paar Schritte brauchten, bis auch sie in ihren eigenen Betten waren. Die drei, die leise vor dem Fernseher eingeschlafen waren, wurden vom Lärm auch wach, ließen sich aber nicht so in den Bann der Sängerin ziehen, sondern drehten sich um und schliefen weiter. Einige der Frauen kritisierten noch, dass unsere Favoritin keine gute Figur machte in ihrem Maxikleid. Als wenn das jemanden interessieren würde.

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https://www.youtube.com/watch?v=Kvo8pzEyxF4


Der darauf folgende David-Alexandre Winter, der von mir unbedingt zu den Favoriten zählte, kam weniger gut an, was die anwesenden Zuschauer zu Fachleuten qualifizierte, denn der große Star wurde Letzter. Dann kam ein spanischer singender Fußballspieler, der den Frauen gefiel. Die kleinen Spielchen mit dem Ball begeisterten auch die Männer. Der kann was, zumindest am Ball. Das Lied war auch nicht schlecht, aber auch keine Konkurrenz für Mary Hopkin. Dennoch sollte man sich den Namen merken: Julio Iglesias (er wurde Vierter).

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https://www.youtube.com/watch?v=xlqiv5q2lgE


Als Nummer 11 kam dann auch endlich der deutsche Beitrag. Katja Ebstein riss alle vom Hocker: Elegant, sexy und souverän präsentierte sie „Wunder gibt es immer wieder“. „Die kann es wirklich schaffen“, war sich eine ziemlich hoher Anteil der Anwesenden einig. Sie sah in jedem Falle von allen am besten aus mit ihrer langen Weste und dem Minikleid. Bisher…

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https://www.youtube.com/watch?v=sPI1wyizGL0


… denn eine fehlte noch. Für Irland, die bisher nie etwas beim Grand Prix reißen konnten, trat Dana an. Es wurde ganz still: Da kam ein süßes dunkelhaariges Mädchen auf die Bühne, auch sie trug Mini, setze sich auf einen Hocker und legte mit ihrer zarten Stimme los:

Snowdrops and daffodils
Butterflies and bees
Sailboats and fishermen
Things of the sea
Wishing-wells
Wedding bells
Early morning dew
All kinds of everything remind me of you

Keiner verstand den Text beim ersten Hören, aber alle waren verzaubert von der sympathischen Sängerin, die ähnlich wie Jahre später Nicole mit ihrer zurückhaltenden Art auch sofort von vielen ins Herz geschlossen wurde.

Nun begann die Vergabe der Punkte. In diesem Jahr durfte jedes Land 10 Punkte auf die Titel verteilen. Gehen wir einfach mal von 10 Juroren je Land aus, von denen jeder eine Stimme hatte. So verteilten sich die Punkte wirklich sehr unterschiedlich. Nur Dana schaffte gleich nach den ersten beiden Wertungen 11 Stimmen auf sich zu vereinen, dann kamen zweimal keine Punkte dazu und dann kam Belgien. 9 Punkte für „All Kinds Of Everything“. Damit war Dana fast schon nicht mehr einholbar. Sie wurde auch nicht mehr eingeholt und alle vor dem Fernseher waren sich einig: Das ist eine verdiente Siegerin, Dana ist toll.

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https://www.youtube.com/watch?v=ka5OfjwB3nM


„Am Montag holen wir dir die Schallplatte“, versprach mir mein Vater noch beim Gute Nacht sagen.

Nicht nur bei uns in der Familie war der irische Beitrag in den nächsten Wochen ein Riesenhit, ganz Europa war von der zierlichen jungen Dame begeistert.

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